Metadata: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

29. April 1871 Einundzwanzigstes Kapitel 231 
Freilassung von Gefangnen in großem Maßstabe eine Zeit lang unter— 
stützt. Verpflichtet aber war man hierzu nicht mehr, diese Ver— 
pflichtung war vielmehr für so lange erloschen, als die französische 
Regierung nicht in der Lage war, ihrer Gegenverpflichtung, zwischen 
Seine und Loire eine neutrale Zone herzustellen und zu erhalten, 
nachzukommen. Was man deutscherseits in betreff der Freigebung 
von Gefangnen gewährte, war guter Wille, durch Rücksicht auf das 
eigne Interesse diktierte Gefälligkeit, deren Fortsetzung lediglich von 
Erwägung der Verhältnisse, von dem guten Willen in Versailles, 
von dem Vertrauen abhing, das man in Berlin in die Vertragstreue, 
die Energie und die Leistungsfähigkeit der dortigen Regierung setzen 
durfte. Dazu aber kam noch etwas andres. Noch sind die in fran— 
zösischer Gewalt befindlichen Gefangnen trotz des bezüglichen Befehls 
Favres keineswegs alle zurückgesandt, obwohl deren Freilassung schon 
nach der Konvention vom 28. Januar ohne Verzug erfolgen mußte, 
sind, wohl infolge der unabhängigen Stellung des französischen 
Kriegs= sowie des Marineministers, deren Unbereitwilligkeit zu rascher 
und strikter Erfüllung der von Favre und Thiers gegebnen Zusage 
auch in andern Beziehungen (z. B. bei Rückgabe der nicht vor dem 
Präliminarfrieden kondemnierten Kauffahrteischiffe) bemerklich wurde, 
noch etwa vierzehnhundert deutsche Offiziere und Soldaten aus der 
Gefangenschaft zu entlassen. Kann die Versailler Regierung weiteres 
Hinausgehen über unfre Verpflichtungen billigerweise hoffen, wo sie 
mit Erfüllung der ihrigen seit vollen drei Monaten auf so unver- 
antwortliche und bedenkliche Art im Rückstande geblieben ist?“ 
29. April. Der Minister will folgende Aufklärung über das 
„doppelte Gesicht“ der Pariser Kommune in die Presse gebracht 
wissen: „Viele Berichte aus Paris und alle, die aus Beziehungen 
zu der Regierung in Versailles schöpfen, kennen nur die eine Strö- 
mung, nach der der Aufstand in Paris und die Kommune ein Akt 
der kosmopolitischen Revolution, ein Versuch zur Verwirklichung 
sozialistischer und kommunistischer Phantasien ist. Daß dies der 
Fall ist, ist nicht in Abrede zu stellen. Es ist die kosmopolitische Re- 
volution, die die Herren Dombrowski, Okolowitsch, Stupny, Landusbki, 
Burnaki und andre polnische Barrikadenhelden, die die Garibaldianer 
und Massen von belgischen und englischen Mitgliedern der Inter- 
nationalen unter die rote Fahne der Kommune führte, und der die
	        
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