Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

232 Einundzwanzigstes Kapitel 30. April 1871 
Reichstagsabgeordneten Bebel und Schraps ihre Sympathien ent- 
gegentrugen. Es ist der gröbste Kommunismus, der mit diesen Vor- 
kämpfern des Umsturzes fünfzehn= bis zwanzigtausend entlassene Ver- 
brecher und andern Abschaum und Auswurf der modernen Kultur- 
welt mischte. Neben diesen Vertretern und Handlangern phantastischer 
und verbrecherischer Gelüste geht aber in dieser Revolution, wie man 
sich immer gegenwärtig halten sollte, auch eine sehr wohlbegründete, 
von ordnungsliebenden und verständigen Elementen mitempfundne 
und unterstützte Bewegung her: das Begehren und Hinarbeiten nach 
einer vernünftigen Städteordnung, nach Befreiung der Gemeinde von 
lästiger und unnötiger Bevormundung und Beeinflussung von seiten 
des Staates, ein Streben, das sich aus der Geschichte Frankreichs 
erklärt und namentlich in der tyrannischen und für das Interesse 
der Pariser Stadtgemeinde unheilvollen Wirtschaft Hausmanns seinen 
Gegensatz fand. Gäbe man den Parisern eine Stadtverfassung, un- 
gefähr wie sie Preußen in seinen Städteverordnungen seit der Harden- 
bergschen Zeit hat, so würden viele Besonnene und praktisch Denkende, 
die jetzt in Paris den Versaillern grollen, zufrieden gestellt werden 
und sich nicht mehr geneigt finden, die Revolution durch passives 
Verhalten in ihrem Widerstande zu unterstützen."“ 
30. April. Gestern und heute eine Anzahl interessanter Schrift- 
stücke gesehen, Verhandlungen mit Cluseret, dem gegenwärtigen Ge- 
neral der Kommune, betreffend, die ich mir für die Zukunft notieren 
konnte. 1 Im ersten, das vom 10. dieses Monats datiert ist, wird 
Fabrice? telegraphisch angewiesen, Eluseret antworten zu lassen, er 
  
1 Die Verbindung wurde durch den bishertgen Kanzler der bayrischen Ge- 
sandtschaft in Paris, Dr. Wilhelm Cahn, vermittelt, der während des Krieges 
der schweizerischen Gesandtschaft attachiert war und während der Kommune freien 
Verkehr mit den deutschen Behörden vor Paris hatte. Auf Veranlassung des 
Herrn von Holstein (vom Bundeskanzleramt) traf er am 22. April mit diesem 
iu Soisy zusammen und übernahm es, Cluseret eine persönliche Zusammenkunft 
vorzuschlagen. Diese fand am 26. April in Aubervillier bei St. Denis in Cahns 
Begleitung statt, doch wurde Cluseret schon am 30. verhaftet und entsetzt. Cahn, 
Pariser Gedenkblätter II, 334. 336. 339. 342 ff. 345 ff. 350 f. Cluseret selbst 
hat darüber in seinen Mémoires II, 1—23 berichtet. 
? Generalleutnant Alfred von Fabrice, königlich sächsischer Kriegsminister, 
damals deutscher Generalgouverneur in Frankreich. Er hatte seinen Sitz im 
Schlosse von Soisy, nicht weit von St. Denis.
	        
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