Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

234 Einundzwanzigstes Kapitel 30. April 1871 
militärische Besiegung der Stadt habe er als eine Unmöglichkeit 
behandelt, für den Fall aber, daß Versailles über menschliches Er— 
warten den Sieg erringe, gebeten, zu verhindern, daß Paris zu 
Grunde gerichtet werde. Dies sowie die Erwartung, daß wir über— 
haupt vermitteln würden, sei nicht Zahlungsbedingung, sondern nur 
Wunsch. Der Franzose hat dann noch bemerkt, jede Unterhandlung 
mit uns werde ihm in Paris weniger verdacht werden, als eine 
solche mit der Versailler Regierung. Er hat ferner zugesagt, alle 
deutschen Gefangnen freizulassen, sobald man ihm angebe, wer und 
wo sie seien, und sofort die Freilassung des Erzbischofs zu be— 
antragen, dessen Gefangenschaft nur ein Erbstück aus der ersten 
Phase der Bewegung sei. Schließlich hat er wiederholt, daß nur 
unsre Neutralität und Nichtabsperrung der Zufuhren wesentlich sei, 
da er vom militärischen Standpunkte vor den Versaillern keine Be— 
sorgnis empfinde. 
Der Chef erwidert hierauf an demselben Tage, hiernach scheine 
ihm für den Fall, daß Cluserets Ansichten in Paris maßgebend 
seien, eine Vermittlung zwischen Cluseret und Versailles nicht aus— 
sichtslos; denn jene Ansichten seien gemäßigter, als er geglaubt habe, 
besonders in betreff der Entwaffnung. Fabrice möge doch zu er— 
fahren suchen, was Favre zu der ersten Alternative der doppelten 
Basis sage. Einstweilen entspreche unfre Haltung den Erwartungen 
Cluserets durch Neutralität und Nichtbeteiligung an der Absperrung 
von Paris. Ein Erlaß, der die Gründe angebe, weshalb wir dabei 
bleiben wollten, werde noch dieser Tage an ihn, Fabrice, abgehen. 
„Die Forderung der französischen Unterhändler in Brüssel bezüglich 
der fünf Milliarden und der Ostbahn — so schließt das Tele- 
gramm — zeigen qu'on se moque de nous.“ 
Ergänzt wurde diese telegraphische Mitteilung durch eine weitere, 
die von vorgestern datiert war, und in der es heißt, Fabrice solle 
die mit Cluseret gewonnene Fühlung zu erhalten und zu erfahren 
suchen, ob es dessen Meinung sei, daß bei Entwaffnung der Stadt 
und deren Nichtbesetzung durch die Versailler Truppen unfre Sol- 
daten Paris besetzen sollten. Sei dies der Fall, so empfehle es sich, 
ernstliche Vermittlungen mit Versailles zu versuchen. Eine kom- 
munale Unabhängigkeit nach Art der preußischen Städteordnung sei 
an sich kein unverständiges Verlangen, wofern nicht kommunistisches
	        
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