238 Einundzwanzigstes Kapitel 1. Mai 1871
von jeder weitern Unterstützung der Versailler Regierung abraten
und kann statt einer solchen nur die sofortige Aufforderung an die
Regierung empfehlen, ihre Truppen auf das vertragsmäßige Ver—
hältnis zu reduzieren oder die Erneuerung der Feindseligkeiten zu
gewärtigen.“
1. Mai. Nach einer Mitteilung Fabrices von gestern hat ihm
Oberst de la Haye gesagt, daß voraussichtlich nicht die von Favre
in Aussicht gestellte Note, sondern eine Denkschrift von Thiers ein—
treffen werde, und daß Favre wiederholt erklärt habe, Frankreich
erfülle schon jetzt die ihm obliegenden Verpflichtungen, werde diesen
auch ferner entsprechen und sei bereit, den Frieden ohne Verzug
abzuschließen und die Präliminarien als für diesen bestimmend pure
anzuerkennen. Er verlange dagegen die Erlaubnis zum Angriff auf
Paris über Epinay und mittels der Nordbahn über St. Denis sowie
den Konventionen entsprechende Aufforderung an die Kommune, die
Enceinte zu entwaffnen. Der Oberst hat Fabrice ersucht, den Kanzler
davon zu unterrichten. Sollte dieser abschlägig antworten, so werde
die französische Regierung vor dem Angesichte Europas sagen können,
sie habe ihre Pflicht nach besten Kräften gethan, aber Deutschland
hindre sie, den Aufstand wirksam zu bekämpfen. Favre habe ge-
äußert, er sei am Ende seiner Mittel, und man müsse wissen, ob
Preußen die Regierung oder die Kommune begünstigen wolle. De la
Haye hat den lebhaften Wunsch ausgesprochen, daß Fabrice dies
dem Chef nicht vor Eingang der Thiersschen Denkschrift mitteile.
Fabrice hat den Franzosen zunächst ersucht, den Abgang der Denk-
schrift zu beschleunigen, sodann aber noch vorher Favre die Be-
deutung und die Konsequenzen der uns zugemuteten Forderung einer
Desarmierung der Enceinte seitens der Kommune auseinanderzu-
setzen — ein Punkt, über den sich Favre momentan nicht klar gewesen
zu sein scheine. — Der Fürst (Bismarch hat darauf umgehend erwidert,
daß wir durch keine Konvention verpflichtet seien, der französischen
Regierung Hilfe zu leisten, wohl aber berechtigt, von ihr die Ent-
waffnung der Enceinte zu fordern, eventuell sie zu erzwingen, wenn
wir das in unserm Interesse finden sollten. Das sei indes nicht der
Fall: wir hätten kein Interesse, die Gegner der französischen Re-
gierung mit deutschem Blute niederzuwerfen, so lange diese Regierung
in Brüssel den Präliminarfrieden nicht auszuführen, sondern zu unserm