Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

3. Mai 1871 Einundzwanzigstes Kapitel 241 
damit sie entlassen werden können, und daß Cluseret auch die Frei- 
gebung des Erzbischofs beantragt haben will. Zwar sei ein Teil 
des Komitees dagegen, doch soll das Leben des Monsignore voll- 
kommen ungefährdet sein. Am 1. ist eine Zusammenkunft mit Cluseret 
verabredet gewesen. Statt seiner ist aber Cahn gekommen und hat 
die Ersetzung des bisherigen Kriegsministers der Kommune durch 
Kapitän Rossel gemeldet, worauf man ihn beauftragt hat, zu diesem 
zu gehn und anzufragen, ob er die Bestimmungen seines Vorgängers 
wegen Entlassung der Gefangnen aufrecht erhalte, auch ihn wegen 
etwaiger Mißhandlung des Erzbischofs amtlich zu warnen. Dadurch 
werde, so fügt das Telegramm hinzu, der Kommune Gelegenheit 
gegeben, Fühlung mit uns zu behalten. Thue sie es nicht, so werde 
wohl eine antideutsche Intrigue bei Cluserets Sturze mitgespielt 
haben. Die Zufuhr von Lebensmitteln für Paris werde auf der 
Nordseite auf nahen und entfernten Eisenbahnstationen sowie auf 
Landwegen durch große Wachsamkeit der sehr gut unterrichteten fran- 
zösischen Verwaltung thatsächlich beträchtlich erschwert. 
Nach Petersburger Berichten vom 26. April hat der König 
von Dänemark an die Großfürstin-Zesarewna! geschrieben und ihr 
aufgetragen, den Kaiser Alexander zu ersuchen, in Berlin die nord- 
schleswigsche Frage in Anregung zu bringen. Die Großfürstin hat 
den Brief ihres Vaters nicht selbst dem Kaiser übergeben, sondern 
sich an die Kaiserin gewandt, die ihrem Gemahl darauf den Inhalt 
mitgeteilt hat. Dieser hat sich zwar gegen R. nicht geäußert, aber 
doch bemerkt, daß er den Kaiser Wilhelm sehnlichst zu sprechen 
wünsche und ihn im Juli zu Berlin oder Ems zu sehen hoffe. Die 
Großfürstin Helene hat dies R. mitgeteilt und gefragt, was sie der 
Zesarewna mitteilen solle, die sich schon wiederholt bei ihr erkundigt 
hätte, ob er sich noch nicht über diese Angelegenheit ausgesprochen 
habe. Die Großfürstin meint, daß unfre Regierung, an deren deutscher 
Gesinnung niemand zweifle, jetzt, im Augenblick ihres Triumphes, 
eher Zugeständnisse machen könne als früher. Die Sache könne 
doch einmal unbequem werden, und man könnte jetzt in handels- 
politischer Beziehung (6) Gegenkonzessionen von Dänemark fordern, 
  
1 Die Gemahlin des Thronfolgers Alexander (III.), Alexandra Fedorowna, 
die dänische Prinzessin Dagmar, Tochter König Christians IX. 
Busch, Tagebuchblätter II 16
	        
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