Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

17. Mai 1871 Einundzwanzigstes Kapitel 245 
ob er glaube, daß die Fusion zwischen dem Grafen Chambord und 
den Prinzen des Hauses Orleans Fortschritte gemacht und Aussicht 
auf Gelingen habe. Graf (Harry) Arnim glaube es. 1 Unserm 
Interesse sei die republikanische Form der Regierung nützlicher, und 
deshalb werde er ihr nur gezwungen entgegentreten. — An Moltke ist 
am 8. d. M. telegraphiert worden, der Chef hoffe in Frankfurt zum 
Abschluß des definitiven Friedens zu gelangen. Aber dabei würde 
Bedingung sein, daß wir zur Herbeiführung einer baldigen Ein- 
nahme von Paris, die dann in unserm Interesse wäre, thäten, was 
möglich, ohne unfre Leute einer Gefahr auszusetzen, namentlich den 
Franzosen den Durchmarsch durch unsfre Linien gestatteten, die 
Kommune zur Räumung der Erceinte aufforderten, der Stadt die 
Zufuhr von Lebensmitteln abschnitten und sofort 20000 Gefangne 
zur Verwendung in Algier und den größern Städten des Südens 
zurücksendeten. Für den Fall, daß in Frankfurt ein dem Kaiser 
genehmer Friede möglich werde, möge Moltke die nach dem Obigen 
nötigen militärischen Maßregeln vorbereiten. — Ein kurzes Tele- 
gramm von demselben Tage, an Thile gerichtet und zur Mitteilung 
an Delbrück bestimmt, besagt, daß der Chef die beiden Tage vorher 
fünfzehn Stunden verhandelt, und daß er Farre eine „stark ulti- 
matische“ Note übersandt habe; ein andres meldet dem Kaiser, daß 
die französischen Minister der Meinung seien, der Bestand der 
jetzigen Regierung werde wesentlich von schleuniger Unterzeichnung 
des definitiven Friedens bedingt. — Am 11. ist ferner an Moltke 
telegraphiert worden, Fabrice sei der Ansicht, daß die Generale der 
Franzosen in der Meinung, mit den Kommunarden allein fertig 
werden zu können, sich bemühen würden, in die Lage zu kommen, 
unsre Mitwirkung zu entbehren. Auch für diesen Fall aber würde 
eine Zusammenziehung unfrer Truppen bei Paris aus dem Grunde 
wünschenswert sein, weil damit die in zehn Tagen erfolgen sollende 
Ratifikation des Friedensvertrags durch die französische National- 
versammlung gedrückt werden würde, indem jene über die Beschlüsse, 
die wir fassen könnten, falls der Vertrag verworfen werden sollte, 
Beunruhigung empfinden würde. 
  
1 Damals Vertreter Deutschlands bei den Friedensverhandlungen, die zu- 
nächst in Brüssel geführt wurden.
	        
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