Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

246 Einundzwanzigstes Kapitel 18. Mai 1871 
Wieder etwas Komisches zwischen den ernsten Szenen des 
Dramas: Fabrice schickt unterm 11. Mai einen ihm vom General 
von Pape mit der Randbemerkung „zur gefälligen Kenntnis— 
nahme und Herbeiführung der Thronbesteigung des Prinzen 
Friedrich Karl ganz ergebenst übersendet“ versehenen Bericht des 
Gardeleutnants von Mirbach in St. Denis ein, worin folgendes 
ausgeführt wird. Oft schon hatten sich Leute aller Stände, zuletzt 
noch der Attaché der amerikanischen Gesandtschaft, erkundigt, ob es 
wahr sei, daß der Prinz Friedrich Karl zum Regenten für Frank- 
reich bestimmt sei. Schon im Winter habe sich eine Partei zu dem 
Zwecke gebildet. Kaufleute, Bankiers und Fabrikanten, viele an- 
gesehene Bürger, „darunter sogar Edelleute,“ wollten dem Prinzen 
die Krone anbieten und seien ihrer Freunde, ihrer Arbeiter und 
eines Teils der Presse sicher „Einflußreiche Agenten und Führer der 
Nationalgarde und sogar bedeutende Mitglieder der Kommune sollen 
— so heißt es weiter — ihrem Plane geneigt sein. Die Ameri- 
kaner fragten, ob etwa eine Deputation der Preußenpartei will- 
kommen sein würde.“ Dasselbe Thema sei in Versailles besprochen 
worden, wie dem Berichterstatter der „reiche Herr Vincent,“ Kom- 
mandant in der dortigen Nationalgarde, und Herr von Bastide 
gesagt hätten. Offenbar hat man den Leutnant zum besten gehabt; 
denn wenn wir auch in einer Zeit der Wunder leben, so wäre das 
doch ein gar zu arges Wunder, wenn es unter den Franzosen, die 
dem nur entfernt mit dem Kaiser Wilhelm verwandten Prinzen von 
Hohenzollern verwehren wollten, König von Spanien zu werden, 
jetzt eine Partei gäbe, die den leiblichen Neffen unsers alten Herrn 
zum König oder Kaiser von Frankreich begehrte. 
1 8. Mai. Vom Oberkommando der dritten Armee in Com- 
piegne wird berichtet, daß am 11. zu Soissy eine Konferenz zwischen 
dem General von Schlotheim und dem Stabschef Mac Mahons, 
General Borel, stattgefunden hat. „Mac Mahon will den Haupt- 
angriff auf Paris gegen die Enceinte der Westfront vom Bois 
de Boulogne oder Billancourt aus gegen die Bastion vom Point 
du Jour richten. Um der Insurrektion die Möglichkeit abzuschneiden, 
den Widerstand in der Stadt von Abschnitt zu Abschnitt fortzusetzen, 
wünscht er gleichzeitig, d. h. in derselben Nacht, auch einen Überfall 
auf die Nordfront zu unternehmen und sich in den Besitz einiger
	        
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