Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

248 Einundzwanzigstes Kapitel 19. Mai 1871 
Gleichzeitig scheint es uns auch geboten, unsern Truppen möglichst 
alle zufälligen Verluste zu ersparen, welche eintreten könnten, wenn 
die Insurgenten nach abgeschlagnem Angriff Geschützfeuer auf die 
abziehenden französischen Kolonnen eröffnen. Sollte Seine Majestät 
der Kaiser und König später ausdrücklich befehlen, daß die deutschen 
Truppen sich bei dem Angriff auf Paris beteiligen, so gestatte ich 
mir die unmaßgebliche Ansicht auszusprechen, daß bei der augen— 
blicklichen Sachlage, wo der Widerstand bereits organisiert ist und 
die Insurgenten ans Feuer gewöhnt sind, eine bloße Beschießung 
der Enceinte uns schwerlich ans Ziel führen dürfte. Es möchte 
sich dann empfehlen, vom Plateau von Romainville aus mit Bresche- 
batterien gegen die nächstliegenden Thore und Bastionen vorzugehn, 
und dürfte eine Besetzung der Enceinte erst dann von durchgreifendem 
Erfolge sein, wenn wir bis zu den Buttes Chaumont vordringen, da 
diese Position den größten Teil der nördlichen Hälfte von Paris 
beherrscht.“ 
Heute abend teilte mir Bucher mit, daß der Bonner Professor 
Aegidi als Preßrat statt Hepkes in das Ministerium treten und 
die Anstellung von Agenten, Journalisten und andern derartigen 
Herren in die Hand nehmen solle: Es hat — bemerkte er dazu — 
„schon etwas davon in den Zeitungen verlautet.“ In einem Blatte 
hat, wohl von Aegidi selbst hinein besorgt, gestanden, er werde 
Abeken ersetzen sollen, der alt und schwach zu werden anfange, 
worüber unser Freund sehr ärgerlich war und ganz rot im Gesicht 
sagte: „Da möchte man sich doch gleich pensionieren lassen.“ Bucher 
setzte hinzu, Aegidi sei von Keudell empfohlen, dessen Cousine er 
geheiratet habe, und der ihm schon die Stelle in Bonn verschafft 
habe, nachdem es in Hamburg nicht mehr gegangen wäre. „Keudell 
hat — so schloß er — schon viele unnütze Leute angestellt und große 
Summen für sie ausgegeben.“ Ich erinnerte an Rasch, und B. 
sagte, daß er hier wie ich abgeraten und diesen eiteln Dummkopf 
als solchen charakterisiert habe. 
19. Mai. In einem Telegramm Fabrices vom 15. d. M. 
heißt es, die Franzosen hätten in einer Depesche verlangt, von 
der deutschen Armee müsse die Absperrung von Paris eine voll- 
ständige sein; denn es sei wesentlich, daß die Führer bei diesem 
verbrecherischen Unternehmen (der Kommune) sich dem Arme der
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.