254 Einundzwanzigstes Kapitel 30. Mai 1871
ihnen sich mehr zu nähern. Mit andern Worten: die Hauptabsicht
war bei dem Manöbver, die Gefahr der Internationale benützend,
Rußland gegen Frankreich, das Land der Kommune und der Roten
überhaupt, festzuhalten und sterreich zu gewinnen. —
Ich kehre nun wieder zu der chronologischen Reihenfolge des
Tagebuches zurück, wobei ich bemerke, daß einige der wichtigern
Aufzeichnungen über Aufträge, die ich in dieser Zeit vom Chef
empfing, nicht mitgeteilt werden können, weil die Zettel, auf denen
sie für den Augenblick niedergeschrieben wurden, abhanden ge-
kommen sind.
30. Mai. Die Nationalzeitung hatte auf einen Artikel des
Braßschen Blattes in ungewöhnlich grobem und unmanierlichem
Tone geantwortet und von „Mameluken der Norddeutschen Allge-
meinen Zeitung,“ „Plumpheit und Klobigkeit, die nur durch die
Gewohnheiten litterarischer Hausknechte erklärlich" seien, und von
einem „Tone des Reichskanzlers, in den die seines Winkes ge-
wärtige und mit Apportiereifer den Reichstag anfallende Presse
kläffend einstimme,“ gesprochen. Der Chef wollte darauf geantwortet
haben, und zwar ungefähr in folgender Weise. Auf die dem Blatte
gemachten Vorwürfe brauche man sich nicht einzulassen. Die mit-
geteilten Proben aus dem Organ der Herren Bamberger und Lasker
würden genügen, darzuthun, daß eine Irritation, die in solchem
Stile daherführe, kaum befugt sein könne, andre in betreff ihrer
Ausdrucksweise zu tadeln. Wenn der Artikel dem Reichskanzler
ein unangemessenes Verhalten dem Reichstage gegenüber vorwerfe,
der doch so besonnen und patriotisch sei, wenn er von „Anherrschen
in Männern gegenüber wenig geziemender Weise,“ von „IAbver-
langen blinder Unterwerfung“ rede, so darf man wohl fragen:
Welche Stellen der stenographischen Berichte gaben dazu Anlaß?
„Wir (von hier an Diktat), die wir diese Berichte nicht, wie der
Verfasser jener Philippika gethan zu haben scheint, ungelesen lassen,
vermögen in den Außerungen des Reichskanzlers nichts zu finden,
als die motivierte Erklärung, daß die bezüglichen Anträge unan-
nehmbar seien, und daß er, falls man dabei beharren wolle, die
Verantwortlichkeit für die Verwaltung Elsaß-Lothringens während
des Provisoriums nicht übernehmen werde. Entdeckt aber jemand
andres in den Redewendungen, welche ihm jenen Tadel irgendwie