20. Juni 1871 Einundzwanzigstes Kapitel 261
versprechen könne, da niemand heute bereits zu übersehen vermöge,
wie die Zahlungen gehen würden. Er, Waldersee, habe auf dem
1. Juli bestanden, weil wir sonst an dem guten Willen der Franzosen
zweifeln müßten und andrerseits wegen finanzieller Arrangements
das Geld zu jenem Termine brauchten. Thiers habe erwidert,
daß er den Wunsch und die Hoffnung hege, am 1. mit der Zahlung
beginnen zu können, es sei jedoch eine thatsächliche Unmöglichkeit,
vor dem 10. die ganze Summe zu beschaffen. Waldersee hat nicht
gesagt, daß der Vorschlag in Berlin angenommen werden würde.
Der Chef hat ihm darauf vorgestern telegraphiert, der Vorschlag
des Herrn Thiers widerspreche dem 7. Artikel des Frankfurter
Friedenstraktats und sei daher ohne Gegenkonzessionen unannehm—
bar. „Die anfängliche Abrede ging überdies — so heißt es in dem
Telegramm weiter — dahin, daß die Einnahme von Paris als
Termin gelten sollte, und nur infolge der von uns aus Gefällig—
keit zugestandnen französischen Redaktion des Vertrags wurde der
Ausdruck: rétablissoment de l'autorité aufgenommen. Dazu ist die
Zahlung der nächsten 125 Millionen durch ein Versehen in der
französischen Redaktion auf 60 Tage nach der Zahlung der 375
festgestellt, statt, wie Herr Pouyer-Quertier selbst angeboten, auf 30
oder 60 Tage nach der Einnahme von Paris. Bei dem Mangel.
an Entgegenkommen, den die französischen Unterhändler jetzt
zeigen, haben wir keine Veranlassung, Gefälligkeiten ohne Gegen-
konzessionen zu bewilligen. Wenn daher die französische Regierung
nicht am 1. Juli die vertragsmäßige Zahlung leistet, so werden
wir zu konstatieren haben, daß sie den Artikel 7 unausgeführt
gelassen hat, und ich ersuche Ew., Herrn Favre darüber nicht in
Zweifel zu lassen.“
20. Juni. Wieder etwas Heiteres aus der diplomatischen
Welt! v. K. ein russischer Gesandter, hat unterm 25. Mai (6. Juni
unsrer Zeitrechnung) ein langes französisches Memoire über die
sozialistischen Parteien und Umtriebe in Deutschland an den Kaiser
Alexander gerichtet, worin es unter andern großen Wunderlich-
keiten heißt: „Wuttke (unser Leipziger Professor und Querkopf)
un des piliers republicains en Saxe a dit dernièrement assez
haut pour éötre entendu à Dresde: dans cind ans il n'y aura
plus des princes.“ Bezaubernd schöne Kenntnisse der Verhältnisse