23. Juni 1871 Einundzwanzigstes Kapitel 265
obigen Artikel und erzählte mir, während er sich ankleidete, gut
gelaunt die darin erwähnte Geschichte folgendermaßen: „Ein un-
gewöhnlich schmieriger Mensch, offenbar ein Jude, kam, als ich
aus dem Reichstage nach Hause ging, auf mich zu und sagte, er
wollte Audienz bei mir. Ich wies ihn ab. Er blieb aber neben
mir und redete weiter auf mich hinein, ich würde doch einem deutschen
Schriftsteller so was nicht abschlagen, er hätte mir Wichtiges mit-
zuteilen. Doch, sagte ich, ich gebe deutschen Schriftstellern niemals
Audienzen. Er folgte mir aber (mit der fliegenhaften beharrlichen
Zudringlichkeit und Dummdreistigkeit des Judenjungen) immer noch
und rückte mir, indem er weiter sprach, so dicht auf den Leib, daß
er mir einen Sporn abtrat. Ich drehte mich um und wollte thät-
lich werden; da nahmen ihn die Schutzleute in Empfang. Er war
wirklich ungewöhnlich schmierig, so voll Kneipenfett, wenn das einer
mit sich abgeschabt hat.“ Machte daraus eine Notiz für die Presse.
Später nochmals zum Minister geholt, erhielt ich von ihm in
Bezug auf eine angebliche Enthüllung des Herrn Vallon in der
Versailler Versammlung, die die Nationalzeitung besprochen hatte,
die Weisung, einen Artikel zu machen, den er vor dessen Abgang
durchsah und korrigierte. Bei der Information sagte er mir: „Favre
hat hier wiederholt Irrtümliches vorgebracht. Er hat in der Rede
vom 19., worin er die Behauptung Vallons besprach, er habe ihm
mitgeteilt, daß ich in Ferrieres geneigt gewesen wäre, auf die Be-
dingung der Abtretung Straßburgs und seines Weichbildes hin
Frieden zu schließen — in dieser Rede hat er den Sachverhalt
unrichtig wiedergegeben. Er hat erklärt, es sei damals nicht über
den Frieden unterhandelt worden. Graf Bismarck habe ihm aller-
dings gesagt, daß es möglich sei, unter den Bedingungen zu unter-
handeln, die Herr Vallon in der Nationalversammlung angedeutet.
Sagen Sie darauf, damit bekunde der Minister der auswärtigen
Angelegenheiten Frankreichs ein mangelhaftes Gedächtnis. Oder
besser, sagen Sie: Es ist sehr erklärlich, daß nicht alle Einzelheiten
der wiederholten langen Besprechungen dem Beteiligten gleichmäßig
im Gedächtnis geblieben sind, namentlich auch auf andern Gebieten
der sehr bewegten Zeit. Nach den vorliegenden veröffentlichten
Berichten stand in Ferrières die Frage des Waffenstillstands im
Vordergrunde als das Mittel, dem Frieden durch Berufung der