Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

272 Einundzwanzigstes Kapitel 5. Juli 1871 
klären. Später war er der Meinung, Aegidi sei durch Keudell, 
der aus dem Auswärtigen Amte auszuscheiden und sich zum Ge— 
sandten machen zu lassen beabsichtigte, hierher gebracht worden, um 
ihm über das, was hier vorgehe, Bericht zu erstatten, sowie ander— 
seits Sorge zu tragen, daß die ihm, dem bisherigen Personalrat, 
Säckelmeister und Stipendienverwalter des Ministeriums von Leuten 
der Presse von Zeit zu Zeit gespendeten Anerkennungen seiner po— 
litischen Bedeutung nicht aufhörten, sondern reichlicher und kräftiger 
würden. 
Über seine Personalien mag der Herr Preßrat zunächst selbst 
berichten, und ich werde seine Angaben nur mit einigen Einschal- 
tungen und Nachträgen begleiten. 
James Ludwig Karl Aegidi, Sohn eines Arztes in Freien- 
walde, 1825 geboren, evangelischer Konfession und mit einem 
Fräulein von Senden, einer Cousine Keudells, verheiratet, studierte 
in Königsberg, Heidelberg und Berlin die Rechte. Schon als 
Studiosfus trieb er Politik und drängte sich damit in naiver Weise 
hervor, wobei er einmal zu einem vergnügten Vormittage im Karls- 
ruher Archiv Anlaß gab. Als nämlich Treitschke, so erzählte mir 
Professor von Gutschmid am 12. Februar 1873 bei Schutltze in 
Berlin, dort Studien machte, stieß er auf eine Eingabe aus dem 
Jahre 1848, die wahrscheinlich vom badischen Bundestagsgesandten 
eingeschickt worden war, und in der es ungefähr hieß: „Ein ein- 
faches Landmädchen rettete Frankreich — Jeanne d'Arc. Bescheiden 
wie diese wage ich mich dem hohen Bundestage zu nahen,“ worauf 
eine Bitte um Preßfreiheit folgte. Unterzeichnet war der Student 
Aegidi. Treitschke teilte das einigen im gleichen Saale arbeitenden 
Gelehrten und Spaßfreunden mit, die darauf mit ihm, sich an den 
Händen fassend, um den Fund einen Freudentanz aufführten. Der 
Verfasser der Eingabe aber hieß seitdem unter ihnen nur „das ein- 
fache Landmädchen.“ Später, im letztgenannten Jahre, trat Aegidi 
als Privatsekretär beim Minister des Innern, Alfred von Auers- 
wald, dann beim Ministerpräsidenten Rudolf von Auerswald ein. 
Darauf wandte er sich der akademischen Thätigkeit zu, indem er sich 
1853 in Göttingen als Privatdozent habilitierte. Vier Jahre darauf 
wurde er als außerordentlicher Professor nach Erlangen berufen, 
und 1859 bekam er die Stelle des Professors der Geschichte und
	        
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