Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

280 Zweiundzwanzigstes Kapitel 31. August 1871 
noch Gelegenheit, ihm zu sagen, daß, wenn es ihm gelänge, die 
deutschen Unterthanen in Bezug auf ihre wirklichen Bedürfnisse 
zufrieden zu stellen, sie gewiß nicht ihre Augen aus Osterreich auf 
Deutschland richten würden. Dasselbe habe er auch dem Kaiser von 
Bußiam in Bezug auf die Ostseeprovinzen gesagt. Der Kaiser von 
Osterreich meinte, Seine Majestät hätte alle Ursache, mit seinen 
Reichs= und Landtagen in der letzten Zeit zufrieden zu sein, was 
Seine Majestät im allgemeinen zugab, wenn auch einige Diffe- 
renzen vorgekommen wären. Seine Majestät erinnerten daran, daß 
der Kaiser Franz Joseph einmal in Teplitz gesagt habe, in zwanzig 
Jahren werde es keine Verfassung mehr geben; zehn Jahre seien 
nun seitdem verflossen, und es sehe noch nicht danach aus, als 
ob die nächsten zehn Jahre die Prophezeiung wahr machen 
würden. 
„Die römisch-kirchliche Frage wurde nur nebenbei berührt. 
Der Kaiser Franz Joseph bemerkte, es sei sehr zu bedauern, daß der 
Papst die Infallibilitätsfrage auf dem Konzile vorgebracht habe, 
worauf Seine Mojestät erwiderte, wenn er, der katholische Kaiser, 
das selbst sage, so könne er von seinem Standpunkte aus dem erst 
recht beistimmen. Über das, was seine Regierung darin zu thun 
gedenke, sprach sich der Kaiser Franz Joseph nicht aus. 
„Seine Majestät war von der Herzlichkeit der Aufnahme seitens 
des Kaisers Franz Joseph in hohem Grade befriedigt. Die Erz- 
herzogin Sophic hatte Ischl vorher verlassen, 1 ebenso die Groß- 
herzogin von Mecklenburg-Strelitz, deren Kur übrigens, wie Seine 
Majestät bemerkte, gerade abgelaufen war.“ 
31. August. Heute mittag übergab mir Aegidi folgendes als 
die wörtliche Außerung des Chefs, von der dieser dringend wünsche, 
daß sie in die Kölnische Zeitung gebracht werde: „Wenn früher 
leidenschaftliche Kritiken, deren Gegenstand General von Manteuffel 
wiederholt gewesen ist, auch selbst die ersten Artikel dieser Art in 
der Frankfurter Zeitung noch die Vermutung offen ließen, daß die 
Verfasser, obschon parteiisch und feindselig, mindestens aus eigner 
innerer Überzeugung heraus gehandelt, so ist es offenbar, daß man 
es bei dem jüngsten Angriffe (Frankfurter Zeitung Nr. 214) mit 
  
1 Die Mutter des Kaisers Franz Joseph.
	        
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