Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

22. Okt. 1871 Zweiundzwanzigstes Kapitel 285 
in den andern dagegen sollen alle seine gegen die Deutschen ge- 
richteten thatsächlichen Schritte mit der größten Schärfe angegriffen 
und verurteilt werden. 
15. Oktober. Man meldet aus Stuttgart unter dem 12. d. M., 
daß die dortige badische Gesandtschaft aufhört und Herr von Dusch, 
als konziliante Natur am Hofe König Karls beliebt, bereits sein 
Abberufungsschreiben überreicht hat. Auch der württembergische 
Geschäftsträger von Bauer in Karlsruhe hat seine Abberufung er- 
halten, und ebenso wird Württemberg seine Ambassaden in Paris 
und Bern einziehen. Wahrscheinlich wird auch der italienische Ge- 
sandte am Stuttgarter Hofe am längsten dort gewesen sein, und 
England wird fortan nur durch einen Geschäftsträger vertreten 
werden. Welcher Franzose kommen wird? fragt schließlich der 
Bericht und antwortet: St. Vallier gewiß nicht. Die Mitteilungen 
Gramonts im Ordre haben in Friedrichshafen einen sehr peinlichen 
Eindruck gemacht.1 
22. Oktober. Stieber berichtet unter vorgestrigem Datum 
dem Chef mit dem Eingang: „Euer Durchlaucht mündlich erteilter 
Genehmigung gemäß"“ über das Wiener Vaterland, Obermiller 
und die Partei jenes Blattes folgendes: „Das Blatt ist von Graf 
Leo Thun? gegründet und von diesem 1870 an Dr. Puffka aus 
Posen und Heinrich von Huster übergegangen. Thun zahlt und 
schreibt nur noch wenig für das Blatt. In Westfalen dagegen 
hat es viele Mitarbeiter. Der jetzige Redakteur Obermüller (ein 
Hesse, der früher die fanatisch-partikularistische Sächsische Zeitung 
in Leipzig leitete und sich nebenbei durch höchst wunderliche Bücher 
über die Kelten einen wenig beneidenswerten Ruf zuzog) hat in 
Briefen (die Stieber gesehen und exzerpiert zu haben scheint) gesagt: 
Der sächsische föderalistische Adel hat sich bisher viel weniger frei- 
gebig gegen das Blatt gezeigt als der böhmische, trotzdem gerade 
für den erstern sein einziges Heil nur in der Anlehnung an eine 
in der Gründung begriffne tschechisch-polnisch-französische Partei 
zu finden ist. Es ist deshalb für den 16. Oktober eine Ver- 
sammlung des sächsischen föderalistischen Adels nach Bautzen aus- 
  
1 VgI. I, 182 Anm. 
2 Dem ersten und letzten gesamtösterreichischen Kultusminister 1849—1860.
	        
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