Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

290 Zweiundzwanzigstes Kapitel 19. Nov. 1871 
unterrichteten geschrieben, daß die Gesellschaft Opielka Narodowa 
(Nationalschutz), die sichs zur Aufgabe gemacht hat, die Verbindung 
der zahlreichen Emigranten mit der Heimat herzustellen und zu er- 
halten, und die unter der Leitung Valerian Podlewskis steht, 
immer mehr Mitglieder und Einfluß gewinnt. Für Ostgalizien ist 
in Krakau ein Zweigverein gegründet worden, dessen Leiter Byglewski, 
der Präsident des sogenannten Sibiriaken-Counts ist, das für die aus 
Sibirien zurückgekehrten Polen Sorge trägt und jetzt der Opielka 
untergeordnet werden soll. Bereits hat der Verein in sechsund- 
zwanzig Kreisen Zweigvereine gebildet. Die Opielka Narodowa 
führt eine genaue Aufsicht über die in Galizien anwesenden Emi- 
granten, steht in direkter Verbindung mit allen in England, Frank- 
reich, Belgien und der Schweiz existierenden Emigranten-Komitees 
und bildet somit ein Verbindungsglied zwischen ihnen. 
19. November. Aus München meldet man, daß sich Prinz 
Ottos Gesundheitszustand fortwährend verschlimmert, daß man infolge 
dessen an seiner Successionsfähigkeit zweifelt, und daß deshalb der 
König Ludwig sich der Familie des Prinzen Luitpold wieder nähert 
und ihr schon zweimal abends Besuche gemacht hat, was sonst nicht 
seine Gewohnheit ist. — Im Konzept Abekens zu einem Be- 
richt nach P., der am 13. d. M. abgegangen ist, und der von 
Beusts Entlassung handelt,1 heißt es, daß der Chef nach den Ein- 
drücken, die er aus den Besprechungen in Salzburg gewonnen, sie 
nicht erwartet habe. Er könne die jetzige Wendung, die sich nach 
einem sachlichen Siege des Reichskanzlers nach seinem Abgange zu- 
gespitzt habe, bisher nur der Beichtväterpolitik zuschreiben, die von 
jeher in Osterreich mächtig gewesen sei, und annehmen, daß nicht 
sachliche Erwägungen, sondern Einwirkungen des Beichtstuhls auf 
das katholische Gewissen des Monarchen letztern vermocht hätten, 
die Person seines protestantischen Ministers der klerikalen Partei 
zu opfern, als eine Kompensation für die Niederlage, die sie durch 
die Entlassung des Ministeriums Hohenwart erlitten hätte. Eine 
gestern expedierte Zuschrift an R. spricht ähnliches aus und setzt 
dann hinzu: „Wahrscheinlich ist in dieser Richtung auch der Ministe- 
  
1 Am 8. November, nachdem er unmittelbar vorher, am 30. Oktober, das 
Ministerium Hohenwart zu Falle gebracht hatte.
	        
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