Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

15., 17. Januar 1872 Zweiundzwanzigstes Kapitel 303 
15. Januar. Heute abend teilte mir Bucher mit, daß der 
Fürst sich unzufrieden mit seiner letzten Standeserhebung geäußert 
habe. „Hätte man mich gelassen, wie ich war — habe er zu ihm ge— 
sagt —, so wäre ich jetzt mit dem Lauenburger Walde ein wohl— 
situierter Graf, so aber bin ich ein armer Fürst.“!1 
17. Januar. Nach einem durch Bucher vermittelten Auftrage 
des Chefs für die Kölnische Zeitung folgenden Aufsatz geschrieben: 
„In seinem während des vatikanischen Konzils geführten und viel- 
besprochnen Tagebuche schreibt Professor Friedrich unterm 2. Mai 
1870, also geraume Zeit vor Ausbruch des Krieges und während 
hier (in Berlin) keine Seele an eine nahe Störung des Friedens 
dachte: Von einer Seite, die es wissen kann oder wenigstens soll, 
wird mir gesagt, daß es im Jahre 1871 einen Krieg zwischen 
Preußen und Frankreich geben wird. Man munkelt von einem 
Einverständnis der Kurie und der Jesuiten mit den Tuilerien.# 
Gestatten Sie mir, hierzu einige Bemerkungen zu machen, die aus 
guter Quelle geschöpft sind. Hier #munkeltes man von jenem Ein- 
verständnis nicht, hier war man darüber völlig sicher. Es war 
nicht Geheimnis, sondern offenkundige Thatsache, daß Eugenie, die 
bigotte Spanierin, ganz unter dem Einfluß der Jesuiten und in 
lebhaftesten Wechselbeziehungen zur Kurie stand, und daß sie den 
Krieg, den sie wiederholt als ma guerre bezeichnete, vor allem des- 
halb so eifrig betrieb, weil er ihr im Gegensatz zu dem apathischen 
Kaiser den Charakter eines Glaubenskrieges trug, weil sie, die wir 
mit ihren geistlichen Beratern geradezu als eine Agentur der in 
Rom herrschenden Partei bezeichnen dürfen, mit demselben die Zwecke 
zu fördern hoffte, die von jener Partei mit dem vatikanischen Konzil 
und dem ihm vorausgegangnen Syllabus verfolgt wurden. Den 
Vermittler zwischen der Kaiserin, die nach dem Abgange des Kaisers 
zur Armee als Regentin die volle Macht hatte, und den Dirigenten 
der päpstlichen Politik hat der Beichtvater gespielt. Es wurde dabei 
auch auf die Wirksamkeit andrer Beichtväter gerechnet, z. B. auf 
den in Wien; selbst Italien ließ sich auf diesem Wege bestimmen, 
und wären nicht rasch die Tage von Weißenburg, Wörth und 
Spichern aufeinander gefolgt, so hätte man im Vatikan und in den 
  
1 G. u. E. II, 148.
	        
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