Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

7. Februar 1872 Zweiundzwanzigstes Kapitel 309 
hatte er doch nach Heidelberg telegraphiert, der Reichskanzler wolle 
sie, und sollte doch Treitschke von den neuen Besitzern, die über 
400000 Thaler für das Spenersche Geschäft und die dazu ge— 
hörigen Gebäude gegeben hätten, ein sehr ansehnliches Gehalt be— 
kommen. Heute sprach er wieder mit Abeken recht hoffnungsvoll 
von der Angelegenheit, wobei dieser meinte, Treitschke würde gewiß 
recht gut für das Blatt sein. Wenn er auch nur ein halbes Jahr 
dabei bliebe, so würde es dadurch Ansehen gewinnen — oder 
Treitschke an Ansehen verlieren, dachte ich. Aegidi war der Ansicht, 
Treitschke, der noch nicht geantwortet hatte, werde sichs überlegen; 
6000 Thaler, die er jährlich haben sollte, wären doch kein Pappen— 
stiel, und zur Not könnte man ihm 8000 versprechen. Larifari! 
Treitschke kommt ganz sicher nicht. Wäre ein Thor, sich mit der 
Eitelkeit Aegidis zu assoziieren, und ob ihm die beiden Preßjuden, 
die man ihm zu Unterredakteuren geben will, sehr konvenieren 
werden, ist auch nicht über alle Zweifel erhaben. 
Ich füge hier gleich hinzu, daß sich meine Ansicht in dieser 
Affaire bestätigte. Am 13. Februar zeigte mir Aegidi einen vom 10. 
datierten Brief Treitschkes, aus dem hervorging, daß ihm geschrieben 
worden war, auch der Kaiser wünsche, daß er annehme, und worin 
Treitschke erklärte, er habe nie geschwankt, daß er die ihm ange— 
botne Redaktion ablehnen müsse, er wolle die journalistische Lauf— 
bahn auch dann nicht betreten, wenn er die Honorarprofessur bekäme, 
die in der Luft schwebe. Er schlug dagegen Wehrenpfennig vor — 
der das Kraut auch nicht fett machen wird, dachte ich bei mir. 
Ich hatte die traurige Genugthuung, auch das sich erfüllen zu 
sehen. Wehrenpfennig bekam die Stelle. Das Blatt siechte unter 
ihm langsam hin. Zuletzt übernahm „unser Braun“ den Kranken, 
und jetzt ging dessen Zustand — man möchte sagen, selbstverständ- 
lich — in galoppierende Schwindsucht über. Nach einigen Monaten 
ruhte er unter kühlem Rasen, und au milien de sa tombe un 
Tossignol chantait: Miron, mironton mirontaine, un rossignol 
chantait. Was die Nachtigall sang, wird Herr von Putllitz 
wissen, der uns verdolmetscht hat, was sich der Wald erzählt, und 
der beim Feuilleton des Blattes mitwirkte. 
7. Februar. R. in P. schreibt, daß er neulich ein Gespräch 
mit Herrn von Strenavukow, dem Direktor der asiatischen Ab-
	        
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