Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

9. Februar 1872 Zweiundzwanzigstes Kapitel 311 
des Kriegs haben ihre Wirkung auf die Anschauungen der Ham— 
burger Regierungs- und Börsenpartei gehabt. Doch sind die par— 
tikularistischen Tendenzen in diesen Kreisen und die Furcht vor 
Preußen noch nicht ganz verschwunden. Das Blatt schwankt in— 
folgedessen seit dem Frieden. Man kann nicht mehr feindselig auf— 
treten, da die nationale Gesinnung der Mehrheit in Hamburg kein 
Geheimnis ist, und man ihr Rechnung tragen muß. Man spielt 
also die Nationalen, man bekämpft Preußen unter dem Reichs- 
banner und beschränkt sich jetzt auf Verteidigung der Freihafen- 
stellung, die für Hamburg als Ganzes kein Vorteil ist. Die (peku- 
niären) Resultate sind auch seit Eckardts Redaktion wenig zufrieden- 
stellend. Man suchte deshalb in Schleswig-Holstein und Hannover 
Abonnenten. Billige Ausgabe für dieses, starke Verteidigung der 
„berechtigten Eigentümlichkeiten,“ die wir wenigstens nicht von der 
Unterstützung des Partikularismus zu unterscheiden verstehen. Eckardt, 
wegen Amtsbeleidigung des schleswig-holsteinischen Oberpräsidenten 
von Scheel-Plessen angeklagt, will Verschmelzung Holsteins mit 
Preußen betrieben haben. 
9. Februar. Der Chef wollte gestern, wie Aegidi mir sagte, 
daß Mittnacht und Lutz als Verteidiger des Reichs, gleich wie er 
selbst einer sei, in der Presse gelobt würden, und so machte ich 
heute nach einer Depesche unsers Stuttgarter Gesandten die folgende 
Korrespondenz für die Kölnische Zeitung. Was erwartet wurde, 
ist geschehen. Die Debatte über die Reservatrechte hat für die 
nationale Sache günstig geendigt.1 Vergebens feuerten Leute wie 
Osterlen ihre alten Kartaunen Militarismus und Absolutismus ab, 
umsonst weissagte Mohl-Kassandra wie oft schon wieder einmal 
den Untergang, wenn man den Antrag der Kommission annehme. 
Auch der Versuch Sicks, der mit dem Chef des königlichen Kabinetts, 
von Egloffstein in Verbindung steht, durch einen Zwischenantrag 
der Sache die Spitze abzubrechen und wenigstens etwas zu retten, 
schlug fehl. Ein Antrag, den Mittnachts Schwager, der Tribunal= 
rat Bucher, mit unterzeichnet hatte, fiel, man darf wohl sagen, 
  
1 Am 8. Februar 1872 in der württembergischen Kammer der Abgeordneten, 
besonders über § 4 und § 78 der Reichsverfassung. Poschinger, Bismarck und 
der Bundesrat II, 146 f.
	        
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