Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

18. Februar 1872 Zweiundzwanzigstes Kapitel 315 
Deutschland bedroht wie niemand anders jenseits seiner Grenze 
auch die freie Entwicklung der skandinavischen Völker nicht. Es ist 
der große allgemeine Friedenswächter, der Hort der internationalen 
Unabhängigkeit, nur zu Zwecken der Verteidigung gerüstet, und es 
ist und bleibt, mögen diese Völker das gern oder in Erinnerung 
alten halbvergessenen Haders ungern hören, der Staat eines jenen 
Nationen nahe verwandten Volkes. Von der öffentlichen Meinung 
in Schweden kann die königliche Abneigung, die im Hinblick auf 
etwaige zukünftige Eventualitäten sogar gegen uns rüsten möchte, 
auch nicht wohl herstammen. Die schleswig-holsteinische Frage hat 
seinerzeit manchen dort gegen uns aufgeregt, aber diese Aufregung war 
unsers Wissens keine so tiefgehende, wie man nach einem Teile der 
schwedischen Presse geschlossen haben mag, und wäre sie auch tiefer 
gegangen und weiter verbreitet gewesen, als wir zu glauben Grund 
haben, so hat sie sich gegenwärtig, ein paar Redaktionen aus— 
genommen, längst schon gelegt. Noch einmal flammte es in Stock— 
holm und andern größern Städten gegen uns auf während unsers 
Kriegs mit Frankreich. Aber das Feuer brannte doch auch da 
mehr in den Zeitungen als im Publikum, und die denkenden Köpfe 
in letzterm wurden bald gewahr, auf welcher Seite in jenem 
Kampfe das Recht und der Vorteil für die direkt nicht beteiligte 
Welt gewesen. Man darf mit Fug behaupten, daß gegenwärtig 
nur eine kleine Minderheit in Schweden bedauert, daß damals 
Deutschland den Sieg behalten hat. 
„Hiernach bleiben wohl nur noch Gründe des Gefühls zur 
Erklärung der feindseligen Stimmung des Königs Karl übrig. Seine 
Abneigung gegen Neudeutschland mag zunächst, wenn wir das Kleid 
umwenden, Zuneigung zu Frankreich sein, die wieder mit der Er- 
innerung zusammenhängen wird, daß die Dynastie Bernadotte von 
einem französischen Advokaten abstammt, eine Reminiszenzz, die freilich 
das Bedenkliche haben würde, daß über ihr die Obliegenheiten der 
Könige, zuerst an das Interesse der von ihnen regierten Länder 
zu denken, vergessen worden wäre. Dazu aber könnte eine andre 
Erinnerung kommen, die vielleicht, daß es in Schweden einmal vor 
Jahren einen Karl den Zwölften gegeben hat, wobei wieder zu 
beklagen wäre, daß über diesen Rückblick die veränderten Zeiten aus 
den Augen verloren worden wären.
	        
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