Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

316 Zweiundzwanzigstes Kapitel 18. Februar 1872 
„Andre Erklärungsgründe wissen wir nicht zu entdecken. Die 
angeführten aber empfehlen sich uns auch insofern, als man wissen 
will, die schwedische Majestät habe bis vor kurzem Gewohnheiten 
gehuldigt, die wohl zuweilen das eine und das andre Gefühl, 
z. B. das Selbstgefühl, zu steigern geeignet sind, das Urteilsver— 
mögen aber weniger zu schärfen pflegen und mit dieser Eigenschaft 
bisweilen Kundgebungen hervorrufen, die besser unterblieben. 
„Sei dem aber, wie ihm wolle, die unfreundliche Stimmung 
des Königs gegen Deutschland ist Thatsache, und wäre Schweden 
noch der gefürchtete Degen, der den Frieden von Altranstädt er— 
zwang, wäre es noch in der Verfassung und Lage, irgend einem 
Stulpenstiefel gleich dem, den Charles Douze einst zum Minister- 
präsidenten zu ernennen geruhte, gehorchen zu müssen, so ließen 
sich Fälle denken, in denen man sich bei einer Hauptfrontrichtung 
gegen Westen auch nach Norden umzusehen ernste Veranlassung 
hätte. Wie die Dinge sich gemacht haben, ist dem zum Glücke 
nicht so. Der Stulpenstiefel des vorigen Jahrhunderts ist einer 
konstitutionellen Verfassung gewichen, und die Schweden sind fried- 
liebende Ackersleute, Schiffer und Handlungsbeflissene geworden, 
die sich für niemands französische Liebhabereien, für niemands 
Velleitäten nach militärischer Gloire in Streit zu stürzen und in 
Kosten zu setzen gewillt sind, und die sich mit jener Verfassung 
dergleichen Liebhabereien und Velleitäten, wenn man sie in Thaten 
ausbrechen lassen wollte, vom Leibe zu halten wissen würden. Sehen 
wir uns den jetzigen schwedischen Minister des Auswärtigen an, so 
könnte man die Wahl desselben, wenn sie nicht als wenigstens teil- 
weise aus Berücksichtigung jener friedlichen und vorwiegend deutsch- 
freundlichen Stimmung der schwedischen Nation, also als not- 
gedrungen erfolgt, zu deuten wäre, für die Widerlegung unsrer 
Klage verwenden. Graf Platen, seit vorigem Spätherbst auf seinem 
Posten, in Stralsund geboren, wo sein Vater in der schwedischen 
Zeit Gouverneur war, lange Jahre Seemann gewesen, eine offne 
und gerade Natur, sehr angesehen im Lande, zu dessen größten 
Grundbesitzern er gehörte, hegt keinerlei Feindschaft gegen Deutsch- 
land. Im Gegenteil, er ist uns nach seinen Jugenderinnerungen 
sympathisch zugewandt. 
„Der König dagegen ist, wie bemerkt, andern Sinnes, und
	        
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