24. Febr. 1872 Zweiundzwanzigstes Kapitel 323
diese Zustimmung durch eine Majorität erteilt? Da folgt doch mit
unerbittlicher Konsequenz das Bedürfnis der Räte der Krone, sich
eine Majorität für ihre Gesetze zu gewinnen, wenigstens so weit,
daß sie, wenn auch nicht jede Vorlage ihre Beistimmung findet, die
Richtung der Minister im ganzen unterstützt. Der Mann, den die
Kreuzzeitung mit überlegner Weisheit kritisiert, hat in Tagen voll
Sturm und Drang bewiesen, daß er das für notwendig Erkannte
keiner Stimmenmehrheit zu opfern gewillt ist. Aber derselbe Staats-
mann sprach es aus, daß der Konflikt nicht eine regelmäßige Staats-
einrichtung sein könne. Wo eine Volksvertretung besteht, und wo
der Konflikt nicht stationär sein soll, da werden Majoritäten zu
gewinnen sein. Entziehen die Männer von der Rechten ihre Unter-
stützung, so fragt sich, ob die Regierung, die das Staatsleben im
Gange zu halten hat, weiter links noch regierungsfähige Volks-
vertreter zu finden vermag, auf deren Unterstützung sie zählen kann.
Schon einmal hat der Ministerpräsident die Rechte darauf auf-
merksam gemacht, daß sie durch mutwillige Opposition den Schwer-
punkt notwendig nach der andern Seite hindränge. Die Warnung
hat an Bedeutung nichts verloren. Etwas Gleichgiltiges kann die
Mehrheit nur da sein, wo Gesetze keine Zustimmung von Volks-
vertretern bedürfen, im absolutistischen Staate.“
Nachzutragen. Einen der letzten Tage — ich glaube, es
war am 17. — kam Exzellenz Thile zu Aegidi und sagte: „Da
sehen Sie mal, was das wieder für eine Lüge über Savigny ist.
Nicht ein Wort davon ist wahr, daß er die Regierung im Stiche
gelassen hat. Im Gegenteil, er hat damals für seine Haltung vom
König in kurzer Zeit zwei Orden bekommen: den Roten Adler“ u. s. w.
Diese Außerungen bezogen sich auf einen von Bucher im Auftrage
des Chefs bei mir bestellten Artikel, den ich der Kölnischen Zeitung
zugeschickt hatte, und der dann aus ihr von der Spenerschen Zei-
tung abgedruckt worden war. „Mit den verkannten Staatsmännern,
welche die Regierung verlassen hätten, als sie in Not gewesen, war
wohl vorzüglich Bodelschwingh gemeint — sagte Bucher, als ich ihm
von Thiles Entrüstung berichtete —, doch konnte man auch auf Sa-
vigny raten, und verschiedne andre Leute außer Thile haben das
auch gethan.“
24. Februar. Allerhand Eingänge gelesen. Man berichtet
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