Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

7. März 1872 Zweiundzwanzigstes Kapitel 331 
namentlich in Stuttgart beunruhigend, wo St. Vallier die Keckheit 
hatte, nachdem er bei der Regierung nichts ausgerichtet hatte, sich 
direkt an den Souverän zu wenden. Er wurde allerdings auch von 
dem notgedrungen abgewiesen. Aber es ist doch am Ende besser, 
wenn der Souverän solchem Drucke gar nicht ausgesetzt ist.“!1 
7. März. Aus Stuttgart ist unterm 3. März berichtet worden, 
daß vor ein paar Tagen der König seine Minister zur Tafel ge- 
laden und bei Tische ganz laut geäußert habe, die Königin habe 
ihm geschrieben, Fürst Bismarck hätte sich ihr gegenüber für die 
Fortdauer der württembergischen Gesandtschaften ausgesprochen und 
gefragt, weshalb denn Württemberg nicht auch den Pariser Posten 
beibehalten habe. Der König sehe daraus, daß man preußischer- 
seits gegen die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen 
Württembergs zu Frankreich nichts zu erinnern habe, und würde 
jetzt auch einen französischen Gesandten empfangen. Suckow hat 
dies als Mißverständnis bezeichnet. Der Chef erklärt heute in 
Bezug auf seine Unterredung mit der Königin Olga, diese habe 
stundenlang gewährt. „Zuletzt — so fährt er fort — fragte sie, 
ob das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten in Stuttgart 
fortbestehen solle. Ich habe mich begnügt zu erwidern, daß Württem- 
berg reichsverfassungsmäßig das aktive und passive Gesandtschafts- 
recht besitze und wir nicht versuchen könnten, uns in dasselbe zu 
mischen. In die Erörterung einzugehn, ob die Ausübung dieses 
Rechts dem Interesse des Reichs und für Württemberg nützlich sei, 
war um so weniger der Ort, als Ihre Majestät der diplomatischen 
Beziehungen mit Frankreich, auf die eine solche Erörterung vor- 
zugsweise gerichtet sein mußte, nicht erwähnte. Von Paris ist in 
dem Gespräche nicht die Rede gewesen."“ 
Man teilt dem Chef unterm 29. Februar aus Petersburg mit, 
es „habe sich herausgestellt, daß durch den in der Schweiz lebenden 
Komponisten Richard Wagner Korrespondenzen nach München, und 
zwar nach dem königlichen Residenzschlosse selbst gingen.“ Diese 
bezögen sich auf den Zusammenhang der Internationale mit den 
russischen Nihilisten. General Lewaschew, der beauftragt gewesen sei, 
diesem Zusammenhang in Paris und anderwärts nachzuspüren, habe 
  
1 Vgl. E. u. G. I, 60 und oben Bd. I S. 182 Anm.
	        
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