334 Zweiundzwanzigstes Kapitel 8. März 1872
teidigung der Radziwills gegen den Vorwurf, ihr Palais sei ein
Zentralpunkt des Berliner Ultramontanismus, deshalb übernommen,
weil er bei ihnen aus= und eingeht, und weil sie mit dem Hofe
verwandt, also für ihn heilig sind.““) Die Anspielung auf das
reiche Kapital, das gesammelt worden sei, „könne, so meinte Bucher,
auch daran erinnern, daß Radziwill vor kurzem einen Teil seines
großen Gartens verkauft habe, und zwar an Privatspekulanten,
während der Staat das Vorkaufsrecht gehabt hätte. Als dieses
geltend zu machen versucht worden sei, hätten die Spekulanten schon
weiter verkauft gehabt. Wie der König das erfahren habe, habe er
zu Gunsten seiner Verwandten auf dieses Recht verzichtet, und die
Radziwill hätten dabei hundertfünfzigtausend Thaler profitiert.
Übrigens werde es mit der Versetzung Abekens unter die Götter des
Herrenhauses nun wohl nichts werden, da der Chef hinter seine
Durchstechereien mit den Ultramontanen gekommen sei. Also nicht
Lord Abeken!“
8. März. Nach einem von Bucher vermittelten Auftrage des
Chefs machte ich heute den nachstehenden Artikel für die Kölnische
Zeitung: „In seiner vorgestrigen Herrenhausrede 3 sprach der Reichs-
kanzler, wie bekannt, von Petitionen für den Papst, die zur Zeit
des Reichstags von den deutschen Mitgliedern des Zentrums nach
Bedürfnis bestellt und abbestellt wurden. Dann auf die polizei-
lichen Beschlagnahmen von Papieren im Posenschen übergehend,
äußerte der Fürst, es seien ihm dabei Briefe zu Gesicht gekommen,
„von denen die Polizei notwendig hielt, die höchsten Behörden in
Kenntnis zu setzen, um ihnen Leitfäden und Anknüpfungspunkte bei
etwaigen spätern Untersuchungen auf anderm Felde zu geben.“ Es
fand sich darunter, wie der Redner weiter bemerkte, 'der Brief eines
hervorragenden Mitglieds der Zentrumspartei an einen hochgestellten
1 Vgl. G. u. E. II, 127 u. f.
2 Vgl. Abeken 256. 349 (Briefe an die Fürstin Radziwill aus Ems 1867).
*) Die genannten sind, wie für Laien in diesen Dingen bemerkt wird, mit
den Hohenzollern dadurch verwandt, daß der Fürst Anton Heinrich Radziwill 1796
die Tochter des Prinzen Ferdinand von Preußen, Friederike Dorothea Luise,
heiratete.
In der Debattte über das Schulaufsichtsgesetz am 6. März. Politische
Reden V, 291.