338 Zweiundzwanzigstes Kapitel 22. März 1872
„Vom Reichstag ist für den heiligen Vater absolut nichts zu
erwarten. Nur eine recht feindselige Stimmung würde bei erneuter
Beratung sich Luft machen.
„Auch von den Regierungen ist meines Erachtens eine positive
Einwirkung überall nicht zu erwarten. Ich habe ja zu keiner Zeit
daran geglaubt. Alle Redensarten, die man etwa für eine entgegen—
gesetzte Ansicht anführen könnte, sind eitel Dunst.
„Nichtsdestoweniger halte ich dafür, daß das katholische Volk
nicht aufhören soll, seinen Wünschen für die Herstellung der welt—
lichen Herrschaft des Papstes immer neuen Ausdruck zu geben.
„Erreicht man dadurch eine positive Einwirkung der Regierungen
von Deutschland auch nicht, so zwingt man dieselben doch dann, wenn
die katholischen Mächte Europas eine diplomatische Intervention ein—
leiten sollten — und ich glaube, daß diese wenigstens früher oder
später zu erwarten ist —, wenigstens nicht entgegenzuwirken.
„Deshalb bin ich der Meinung, man sollte zur Zeit Petitionen
an den Reichstag nicht einreichen, aber nicht aufhören, ohne Unter—
laß in periodischer Reihenfolge Petitionen an die Regierungen
gelangen zu lassen. Dieselben werden meo voto am besten direkt
an die Fürsten gerichtet.
„Der Herr Bischof von Mainz ist nicht hier, sondern in seine
Heimat abgereist. Ob und wann er wieder hierher zurückkehrt, weiß
ich nicht. Mit vollkommenster Hochachtung“ u. s. w.
Diese Veröffentlichung des Briefes Windthorsts machte das
größte Aufsehen. Auch liberale Blätter wollten sie tadelnswert
finden, und die Klerikalen ergossen immer neue Schalen Zornes über
die, denen man das Attentat zuschrieb. Komisch war dabei, daß sie
ihren Unmut an dem „kleinen Zwerg“ ausließen, wie die Germania
unsern kleinen Aegidi zu nennen pflegt, und daß dieser an unserm
Manöver so unschuldig war wie ein neugebornes Kind und nicht
nur damals nicht das Mindeste davon wußte, sondern, soviel mir
bekannt ist, auch später nichts weiter davon erfahren hat, als daß
der Chef der Sache nicht fremd gewesen sei.
22. März. R. meldet unterm 17. d. M.: „Die polnische Emi-
gration macht lebhafte Anstrengungen zur Aussöhnung mit Ruß-
land. Nicht nur sind es Berichte der russischen Gesandten in
den verschiedensten Ländern, sondern auch die Generalgouverneure