Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

6. April 1872 Zweiundzwanzigstes Kapitel 341 
daß etwa die Mehrheit so optiert hätte. Was die Drohung mit der 
Ausweisung der Deutschen aus Frankreich beträfe, so vertriebe man 
ja schon ohnehin alle, deren man nicht notwendig bedürfe, um In— 
dustrie und Handel in Frankreich im Gange zu erhalten. Allen 
andern würde das Leben so schwer gemacht, daß sie von selber ver— 
zögen.“ 
6. April. Heute mittag brachte Bucher vom Chef Anweisung 
und Material zu einem längern Aufsatz über die autonomistische 
Partei in Böhmen, der aus Prag datiert sein, und den ich der 
Redaktion der Grenzboten zusenden sollte. Der Artikel, in den 
eingeklammerten Stellen wörtlich vom Fürsten, wurde später auf 
dessen Veranlassung von der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung 
abgedruckt und lautete, wie folgt: 
„Gestatten Sie, daß ich noch einmal auf einen Gegenstand 
zu sprechen komme, von dem wünschenswert ist, daß man sich in 
Deutschland über ihn vollkommen klar sei. Ich meine den Charakter 
unsrer Großgrundbesitzer, dieses wichtigen Elements in der Oppo— 
sition gegen die Verfassung Cisleithaniens. Die deutsche Presse 
verfällt in dieser Beziehung, obwohl jene Herren wiederholt schon 
— unter andern auch in den grünen Blättern — des Scheines, 
mit dem sie sich umgeben, entkleidet worden sind, in manchen ihrer 
Organe immer wieder unrichtigen Auffassungen. 
„Unsre böhmischen Großgrundbesitzer werden bei der nahen 
Entscheidung die Hauptrolle spielen. Man behauptet jetzt, daß in 
beiden Kurien derselben Wahlen zu erwarten sind, die die Regierung 
und die Verfassungspartei befriedigen. Doch wollen wir den Tag 
nicht vor dem Abend loben. Jedenfalls gehörte die Mehrheit der 
begüterten Aristokraten Böhmens in den letzten Wochen noch den 
Föderalisten, den verfassungfeindlichen Deklaranten an. Man thut 
aber sehr unrecht, wenn man diese Magnaten mit den Nationalen 
insofern in einen Topf wirft, als man ihr Mitwirken zu der Agi— 
tation der Tschechen mit aufrichtiger Schwärmerei für die Wenzels- 
krone und für ein autonomes Königreich Böhmen erklärt. 
„Wer sind denn diese Kavaliere, die sich so tschechisch gebärden? 
Nationaler Adel, tschechisches Blut? Keineswegs, wenigstens in 
ihrer überwiegenden Mehrheit nicht. Im Gegenteil, sie sind viel- 
mehr nach Geburt und Abstammung nicht bloß ein fremdes, sondern
	        
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