Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

342 Zweiundzwanzigstes Kapitel 6. April 1872 
sogar ein dem Tschechentum feindliches Element. [Sie sind gerade 
in den eifrigsten Mitgliedern ihrer Partei die Nachkommen der 
Generale und Staatsmänner, die in dem ersten Drittel des Dreißig— 
jährigen Krieges bei der Niederwerfung und Vernichtung des natio— 
nalen Staates, bei der Ausrottung und Depossedierung des natio— 
nalen Adels Böhmens in hervorragender Weise behilflich waren. 
Sie sind die Enkel und Erben derer, die für jene dem kaiserlichen 
Beichtkinde Pater Lamormains geleisteten Dienste, für jene Mit— 
arbeit bei der Unterdrückung einerseits des Tschechentums und andrer— 
seits des Protestantismus von der Jesuitenpolitik der Habsburger 
mit den Gütern des hingerichteten oder in die Verbannung getrie— 
benen Adels der tschechischen Nation belohnt wurden.] 
„Die Vertreter unsers Großgrundbesitzes, die sich jetzt mit den 
Tschechomanen um die Wette für die Autonomie Böhmens begeistern, 
sind fast ohne Ausnahme Deutsche. [Wenn sie sich als Tschechen 
aufspielen, so machen sie denselben hochkomischen Eindruck, wie die 
wackern Junker von Krauthofer am Weichselstrande, die sich eine 
Pikesche mit Schnurengeschnörkel anziehen, eine weiße oder rote 
Konfederatka aufsetzen und nun Pan Krutowski heißen wollen. 
Keiner von ihnen spricht unter seinesgleichen tschechisch, nur wenige 
reden und verstehen es überhaupt einigermaßen, kaum einer oder 
zwei würden die Probe aushalten, wenn man sie auf das famose 
vokallose Schiboleth: Strez prst skrz krk (die Worte heißen: Stech 
den Daumen in den Hals) in betreff ihrer Zugehörigkeit zu dem 
Volke Libussas prüfen wollte. Sie sprechen wie ihre Mutter, Groß- 
mutter und Ureltermutter, sie denken und empfinden aber wie ihr 
Vater, Großvater und Ulreltervater weder deutsch noch tschechisch, 
sondern so unnational, so antinational wie ihre nächsten Freunde und 
Verbündeten, die Klerikalen und Ultramontanen. 
„Man kennt die Geschichte Böhmens kurz vor und kurz nach 
der Schlacht, 1 die Staatsmänner und Feldobersten, die dem Kaiser 
und seinem Leibjesuiten bei dem Werke der Vernichtung des selb- 
ständigen Böhmens und der darauf folgenden blutigen „Refor- 
mation ihre Hand liehen, die Intriguen, die die zentralistisch- 
ultramontane Hofpartei in Wien anwandte, die Rache, die sie übte, 
  
1 am Weißen Berge 7. November 1620.
	        
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