Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

6. April 1872 Zweiundzwanzigstes Kapitel 343 
und den Lohn, den sie erhielt. Man erinnert sich der Hinrichtungen 
derer, die die Verwalter und Regierer der böhmischen Autonomie 
gewesen waren, der Dragonaden, die unter der Leitung von Jesuiten 
Adel, Bürger und Bauern des Tschechenvolkes wieder in die allein— 
seligmachende Kirche hinein zwangen, der ungeheuern Konfiskation 
endlich, durch die der kaiserliche Fiskus allein im Jahre der Schlacht am 
Weißen Berge sechshundertvierundzwanzig Herrschaften und Land— 
güter gewann. [Man weiß, wie der Kaiser Anwandlungen von Milde 
hatte, wie ihn aber der Ketzerhaß seines jesuitischen Beichtvaters und 
des päpstlichen Legaten und ebenso sehr die Habgier hochstehender Be— 
amten, denen dann wirklich ein sehr reicher Anteil an der Güterbeute zu- 
gesprochen wurde, immer wieder zu strengen Maßregeln überredeten. 
Selbst solche Nationale, die sich keines Vergehens schuldig gemacht 
hatten, wurden unter allerlei Vorwänden ihres Besitzes beraubt, 
fast alle adlichen Gutsbesitzer verloren durch die Kommissarien, die 
der Kaiser 1622 zur Eintreibung der Kosten des Aufstandes ein- 
gesetzt hatte, die Hälfte ihres Eigentums, viele das ganze, und 
unter den letztern waren die reichsten. 
„Wie viel davon an die Gehilfen bei dem großen Unter- 
werfungs= und Racheakte verteilt worden ist, wie viel davon jetzt 
noch in den Händen der Familien der Belohnten sich befindet, sollte 
einmal statistisch festgestellt werden, und dann sollte man zum Ver- 
gleiche die jetzige politische Kondnite der gegenwärtigen Besitzer 
daneben verzeichnen. Es würde einen ganz eignen Anblick geben, 
Leute, die durch die Zertrümmerung der Autonomie Böhmens reich 
und mächtig geworden sind, für die Wiederaufrichtung dieser Auto- 
nomie auftreten zu sehen.] 
„In der That, das wäre eine recht eigentümliche Reaktion. 
Aber man hüte sich, an die Aufrichtigkeit der scheinbar dahin gerich- 
teten Wünsche und Bestrebungen derjenigen unfrer Großgrundbesitzer 
zu glauben, die mit den Tschechen gegen die Verfassung gemeinsame 
Sache machen. Ihre Reaktionsgedanken gehn nicht so weit zurück. 
Ihnen genügt eine Rückkehr zu der Zeit unmittelbar nach 1849, 
zu einem Osterreich, wie es ihnen unter Schwarzenberg und Bach 
blühte. Um dieses vorzubereiten, um den jetzigen politischen Stand 
des Reiches zu unterwühlen, zu schwächen und im Schwanken zu 
erhalten, haben sie und die Ultramontanen sich mit den tschechischen
	        
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