22 Sechzehntes Kapitel 8. Januar
häuft und uns ohne Unterlaß und ohne Erbarmen mit verdoppelten
Schlägen heimsucht? Ach, fürwahr, die sind von leichtlebiger Art,
die die Naivität haben, zu glauben, daß dieser entsetzliche Krieg
unfehlbar unsre Sitten umgestalten und uns zu neuen Menschen
machen müsse!“
Bei Tische erzählte der Chef wieder von seiner Jugendzeit, und
zwar von seinen frühesten Erinnerungen, von denen sich eine an
den Brand des Berliner Schauspielhauses knüpfte. „Ich muß da—
mals ungefähr drei Jahre alt gewesen sein, und es war am Gen—
darmenmarkt auf der Mohrenstraße gegenüber dem Hotel de Branden—
bourg an der Ecke eine Treppe hoch, da wohnten damals meine
Eltern. Von dem Brande selbst weiß ich nicht, daß ich ihn ge—
sehen hätte. Aber als Egoist weiß ich — vielleicht auch nur, weil
man mirs hernach oft erzählt hat —, wir hatten da vor den Fenstern
noch so eine Stufe, auf der Stühle und der Nähtisch meiner Mutter
standen. Und wie es brannte, da stieg ich hinauf und hielt an der
einen Seite meine Hände an die Scheiben und zog sie gleich zurück,
weil es heiß war. Hernach ging ich an das rechte Fenster und
machte es ebenso.“ — „Dann erinnere ich mich noch, daß ich einmal
fortlief, weil mein Bruder mich schlecht behandelt hatte. Ich kam
bis auf die Linden, da fingen sie mich wieder ein. Ich hätte
eigentlich Strafe bekommen sollen, es wurde aber Fürsprache für
mich eingelegt.“ — Dann sprach er davon, daß er von seinem
sechsten bis zu seinem zwölften Jahre in Berlin im Plamannschen
Institut, einer nach den Grundsätzen Pestalozzis und Jahns ein-
gerichteten Erziehungsanstalt, gewesen sei, und daß er sich an die
dort verlebte Zeit ungern erinnere.! Es habe dort ein künstliches
Spartanertum geherrscht. Niemals habe er sich satt gegessen, aus-
genommen, wenn er einmal ausgebeten gewesen sei. Immer habe
es im Institut „elastisches Fleisch gegeben, nicht gerade hart, aber
der Zahn konnte damit nicht fertig werden. — Und Mohrrüben —
roh aß ich sie recht gern, aber gekocht und harte Kartoffeln darin,
viereckige Stücke."
Damit lenkte die Unterhaltung wieder einmal auf das Ge-
biet der kulinarischen Genüsse hinüber, und zwar äußerte sich
1 1822— 1827.