25., 27. August 1872 Zweiundzwanzigstes Kapitel 375
sagte mir der Kaiser, er würde, wenn dies Seiner Majestät genehm
sein sollte, schon am 5. abends in Berlin eintreffen. Graf Schu-
walow setzte mir auseinander, diese Anordnung fände ihren Grund
in dem Wunsche des Kaisers, etwas früher als der Kaiser Franz
Joseph am kaiserlichen Hofe einzutreffen. Daß die Rangfrage dabei
eine Rolle spiele, ging aus der Außerung des Grafen hervor, daß
seiner Zeit in Stuttgart der Kaiser Alexander auch etwas früher
eingetroffen sei, um den Rang vor dem Kaiser Napoleon zu haben.
Hieraus kann ich jedenfalls entnehmen, daß der Kaiser Alexander
einen gewissen Wert darauf legt, durch sein früheres Erscheinen zu
zeigen, daß er der ältere Freund ist. Ich glaube indes nicht, daß
er besonders darauf halten sollte, daß ihm während der ganzen Dauer
des Besuches immer der erste Rang eingeräumt werde."
Aus Bern schreibt man unterm 16. d. M.: „Die meinerseits
gehegte Voraussetzung, daß die Ernennung des Herrn von Nieth-
hammer zum Gesandten (Bayerns) in der Schweiz als eine Art
Demonstration gegen die kaiserliche Regierung zu betrachten sein
dürfte, scheine sich voll zu bestätigen. Derselbe hofft auf ein Mini-
sterium Gasser und preist in maßgebenden Kreisen hier den Bayern-
könig, der nicht gewillt sei, sich mit den kleinern nach Berlin gehenden
Fürsten auf gleiche Stufe zu stellen. Außerdem äußert sich der be-
treffende Gesandte so lächerlich partikularistisch und ultramontan, daß
er vielfach moralischem Achselzucken und drastischen Widerlegungen
begegnet. Was den anderweitig als 2geschwätzig" bezeichneten
russischen Reichskanzler Fürsten Gortschakow anbetrifft, so deutet
derselbe überall an, daß es für Rußland angezeigt scheine, sich in
dem Maße dem Vatikan zu nähern, als sich andre von demselben
entfernten, und daß ihm das auch bereits zu gelingen scheine."
25. August. Bucher schickt aus Varzin folgende Notiz für
Braß: „Falls die Gesundheit des Fürsten ihm überhaupt erlaubt,
zu reisen, wird er anfangs September nach Berlin und von dort
zunächst nach Marienbad gehen und sich dann wieder nach Varzin
begeben.“
27. August. Heute abend Antwortschreiben des Kaisers
Alexander auf die Einladung gesehen, mit dem deutschen und dem
österreichischen Kaiser in Berlin zusammenzukommen. Dasselbe war
in sehr herzlichen Ausdrücken abgefaßt.