Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

26 Sechzehntes Kapitel 9. Januar 
fortsetzen, doch liefe die Sache auf Wiederberufung der Orleans 
hinaus. — Bernstorff meldet, man habe durch den Bedienten eines 
Dr. Reitlinger, der Favres Privatsekretär sei, erfahren, dieser suche 
in Süddeutschland eine demokratische Verschwörung zu befördern. 
Gladstone habe Reitlinger empfangen und ihn auf jede Weise zu 
unterstützen versprochen. 
Ich setzte am Nachmittag ein Telegramm über weitere erfolg— 
reiche Fortsetzung des Bombardements auf. Als ich es dem Chef 
vorlegte, strich er die Stelle, wo davon die Rede war, daß unsre 
Granaten in den Garten des Luxembourg gefallen seien, als „un— 
politisch.“ Er veranlaßte auch durch Telegramm an das Auswärtige 
Amt Weglassung der Sache aus den Mitteilungen des General— 
stabes. 
Durch die Zeitungen geht folgende hübsche Geschichte, die aus 
dem Privatbriefe eines deutschen Offiziers zuerst in das Leipziger 
Tageblatt gelangt ist. „Eines Tages besuchte der Flügeladjutant 
Graf Lehndorff den Hauptmann von Strantz auf Vorposten in 
Ville d'Avray vor Paris. Auf die Frage des Grafen, wie es ihm 
gehe, antwortete dieser: »Es geht mir sehr gut; denn ich komme 
eben von meinem Diner, wo ich den siebenundsechzigsten Hammel— 
braten verzehrt habe.« Der Graf lachte und fuhr nach einiger Zeit 
wieder weg. Am andern Tage meldete sich bei dem Hauptmann 
ein Schutzmann als Überbringer folgender Bestellung: ? Da Seine 
Exzellenz, der Herr Bundeskanzler Graf Bismarck in Erfahrung 
gebracht hat, daß der Herr Hauptmann von Strantz heute wohl 
beim achtundsechzigsten Oammelbraten angelangt sein wird, so über- 
sendet er hierbei vier Enten zur Abwechslung bei den Diners. 
Diese Anekdote hat den Vorzug vor den meisten andern, denen man 
in der Presse begegnet, im wesentlichen richtig zu sein. Nur kam 
der Schutzmann nicht schon am nächsten Tage. Lehndorff war 
einige Tage vor Weihnachten zum Essen bei uns. 
Bei Tische erschien der Chef wieder wie gewöhnlich rasiert. Er 
sprach zunächst davon, daß Graf Bill das Eiserne Kreuz bekommen 
habe, wobei er zu meinen schien, daß man besser gethan hätte, es 
seinem ältern Sohne zu geben, weil er bei dem Reitersturm von 
Mars la Tour verwundet worden sei. „Es ist das ein Zufall.“ 
bemerkte er. „Andre, die nicht verwundet werden, können ebenso
	        
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