Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

21. Januar 1873 Zweiundzwanzigstes Kapitel 389 
andern Seite war der Reichskanzler imstande, seine Unterstützung 
für die eventuell zu erhöhenden Forderungen für das Reichsmilitär- 
budget dem Reichstage gegenüber zuzusagen für den Fall, daß der zu 
ernennende zweite Chef der Armeeverwaltung als Staatsminister in 
ein näheres Verhältnis zum Reichskanzler trete — kurzum, es kam ein 
intimes Bündnis und eine herzliche Verständigung zu stande, die einen 
Teil des ursprünglichen Programms Bismarcks sofort verwirklichte 
und einen andern Teil ohne Präjudiz für die Zukunft aufbehielt."“1 
Auf diesen Artikel folgte am 14. Januar in der Norddeutschen 
Allgemeinen Zeitung die nachstehende Erklärung: „Die Kölnische 
Zeitung vom 10. enthält einen Artikel zur innern Geschichte der 
preußischen Krisis, eingeführt mit der Bemerkung, daß er aus guter 
Quelle stamme. Ohne die Berechtigung dieser Versicherung an jeder 
einzelnen Angabe des Artikels beurteilen zu können, sind wir in der 
Lage, dem widersprechen zu müssen, daß der Reichskanzler jemals. 
die Opposition im Herrenhause gegen die Kreisordnung ermuntert 
oder mit der vorhandnen Opposition auch nur die leiseste Fühlung 
von Varzin aus gehabt habe. 
„Nachdem das Herrenhaus zu einzelnen Paragraphen Beschlüsse, 
die von der Vorlage und den Voten des Abgeordnetenhauses ab- 
wichen, gefaßt hatte, gab der Fürst seine Ansicht dahin zu erkennen, 
daß der verfassungsmäßige Weg einzuhalten, d. h. über die Amende- 
ments des Herrenhauses nochmals mit dem Abgeordnetenhaus zu 
verhandeln sei, und widersprach dem Gedanken, den Landtag schon 
nach diesen ersten abweichenden Voten des Herrenhauses zu schließen 
und schon die Position durch einen Pairsschub zu forcieren. 
„Richtig ist, daß, nachdem das Herrenhaus durch seine uner- 
erwartete Schlußabstimmung seine eignen Amendements kassiert hatte, 
der Fürst die Forderung gestellt hat, die Reform des Herrenhauses 
in erster Linie und vor weiterer Verhandlung über die Kreisordnung 
in Angriff zu nehmen, und daß er diese Reform noch heute für ein 
dringendes Bedürfnis hält, wenn auch nicht in der Richtung auf 
einen konsultativen Staatsrat, sondern auf ein Zweikammersystem, 
dessen erste Kammer Gewicht und im Lande Wurzeln von hin- 
reichender Stärke hat." 
  
1 Ülber diese ganze Krisis ausführlich Roons Denkwürdigkeiten III", 321 ff.
	        
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