Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

21. März 1873 Zweiundzwanzigstes Kapitel 399 
kann mir sehr nützen und auch der Geschichte. Ich werde Ihnen 
alles Mögliche mitteilen. Sie können auch meine Söhne fragen 
und meinen Vetter Karl, den Sie ja kennen. Dann haben Sie 
auch ein Tagebuch geführt. — Nun ja, das ist zu einem Erpressungs- 
versuche benutzt worden. Ein Leipziger Buchhändler schrieb mir, 
Sie hätten ein Notizbuch geführt, worin Sie alles aufgezeichnet 
hätten, was ich über den König gesagt hätte. Das wäre in Ab— 
schriften an fünf verschiednen Orten niedergelegt und würde ver— 
öffentlicht werden, wenn ich ihm nicht 100000 Thaler schickte. Ich 
habe Sie aber für einen Mann von Ehre gehalten, der dazu nicht 
fähig ist. So habe ich ihm geantwortet: Nicht fünf Groschen, und 
ich würde deshalb nicht einen Schutzmann in Bewegung setzen. — 
Es würde mir allerdings nicht gleichgiltig sein, wenn das gedruckt 
würde und auf den Markt käme, was ich über den König und 
andre hohe Personen nach meiner Art gesagt habe in Aufregung 
und Verdruß — sehr berechtigtem Verdruß — wenn das bekannt 
würde. Aber er weiß, daß ich viel Schlimmeres schon über ihn 
geäußert habe. Ich stehe übrigens mit ihm jetzt, wo ich den Minister- 
präsidenten ausgezogen habe, viel besser als früher, wo ich ihn noch 
anhatte. Er denkt, jetzt kann ich ihm nicht mehr in den Weg 
treten und ihn nicht mehr in seinem Willen hindern, wenn er 
unpraktische Dinge vorhat, oder wenn er auf Notwendiges aus 
Vorurteil nicht eingehen will. Aber mein Einfluß auf die andern 
Minister ist nur größer geworden durch die Veränderung. Ich 
habe niemals so viel Einfluß auf sie gehabt wie jetzt und kann seit- 
dem vielmehr alles durchsetzen. Aber freilich geht es mit meiner 
Gesundheit nicht gut. Ich bin voriges Jahr fast sechs Monate 
weg gewesen, und es hat nichts geholfen. Es ist nicht mehr wie 
früher — nur noch die Ziska-Trommel — wissen Sie, nur die 
Haut noch.“ 
Er sann einen Augenblick nach. Dann kam er auf den 
Erpressungsversuch zurück und sagte: „Der Buchhändler schrieb 
darauf noch einmal, und jetzt wollte er mit 50000 Thalern zu- 
frieden sein. Ich blieb aber dabei: Nicht fünf Groschen und auch 
kein Schutzmann.“ 
Ich hatte von dem Kriegstagebuch mit niemand als meiner 
Familie und einigen alten Freunden gesprochen, am wenigsten mit
	        
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