Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

400 Zweiundzwanzigstes Kapitel 21. März 1873 
einem Leipziger oder irgend einem andern Buchhändler. Ich wußte 
das bestimmt, es war an sich unmöglich, ganz und gar unmöglich, 
und so war ich während dieser Worte wie aus den Wolken gefallen. 
Das also war offenbar der lange vergeblich gesuchte Grund dafür, 
daß er den unmittelbaren Verkehr mit mir abgebrochen hatte. Man 
hatte mich bei ihm verleumdet. Er mißtraute. Ich hatte mehrmals 
auf der Zunge, zu sagen, der Buchhändler sei ein Phantom und 
noch dazu ein recht grobes und plumpes, das ihm ein schlechter 
Kerl vorgespiegelt hätte, dem ich im Wege gewesen wäre, weil ich 
für seinen strebsamen Egoismus nicht zu brauchen war, bezwang 
mich aber und erwiderte nur, ich danke ihm für sein Vertrauen. 
Er hätte sich damit nicht getäuscht. Das Tagebuch existiere freilich, 
aber ich hätte niemals die Absicht gehabt, es zu veröffentlichen. 
Es wäre nur für mich, auch enthielte es keineswegs bloß Auf- 
zeichnungen dessen, was er über den König und andre Fürsten 
gesagt hätte. „Und übrigens — so schloß ich — war es kein Geheimnis 
für das Auswärtige Amt. Abeken machte in Versailles bei Tische 
darauf aufmerksam, und Sie bemerkten, daß man es einmal zitieren 
werde — conferas Buschii u. s. w.“l 
„Ja — versetzte er —, das ist richtig, ich besinne mich. Aber 
der Abeken — der war Ihnen wohl auch nicht sympathisch?“ 
Ich erwiderte: „Allerdings nicht sehr.“ 
„Mir auch nicht,“ sagte er. „Er fühlte sich nur wohl in der 
Hofluft und drüben bei Radziwills — und wenn er seine Neffen 
bei sich hatte — »meine Neffen, die Grafen York« — da war er 
ganz außer sich. Aber er war doch gut zu gebrauchen — mit 
seiner Routine. Er hatte einen solchen Phrasensack, den brauchte er 
bloß zu schütteln, wenn ich was von ihm haben wollte, und da 
machte er mir einen ganzen Haufen.“ 
Er kam dann zum drittenmal auf den fabelhaften Buch— 
händler zu sprechen, der ihn immer noch einigermaßen zu beunruhigen 
schien, und ich versicherte ihm wieder, daß die Veröffentlichung 
meiner Aufzeichnungen mir durchaus fern liege. „Nach meinem 
Tode — sagte ich —, in fünfzig Jahren vielleicht." 
„So lange braucht es nicht zu dauern,“ entgegnete er. „Sie 
  
1 S. Rd. 1, S. 579.
	        
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