Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

3. Mai 1874 Dreiundzwanzigstes Kapitel 405 
Als im Jahre 1874 der Streit des Fürsten mit Arnim! aus— 
gebrochen war, wandte ich mich unverzüglich an Bucher und bat um 
Anweisung, auf welchem Wege ich am meisten dabei nützen könnte. 
Ich bekam ohne Aufschub Antwort und im Laufe des Mai ver— 
schiedne Mitteilungen. Am 3. Mai erhielt ich z. B. folgende Skizze 
zu einem Aufsatze für den Kurier: 
„Die Opposition des Grafen Arnim, für den manche Blätter 
damit Reklame machen, daß sie Artikel mit der lberschrift: Arnim 
und Bismarck bringen, erinnert an Zustände, die unter Friedrich Wil- 
helm dem Dritten und dem Vierten bestanden und als zum Heil des 
Landes völlig überwunden betrachtet werden. Obgleich es ein popu- 
lärer Irrtum ist, daß der Titel bevollmächtigter Minister 7, den 
unfre Gesandten führen, sie auf eine Stufe mit den Staats- 
ministern stelle, so haben in der That früher die preußischen Ge- 
sandten sich nicht selten als Kollegen ihres Chefs geriert und Dis- 
putationen aufgeführt, wie sie zwischen zwei Räten eines Regierungs- 
oder Richterkollegiums vorkommen. Die preußische Diplomatie war 
bekannt wegen ihres Mangels an Disziplin. Man weiß von Fällen, 
daß ein Gesandter ohne Urlaub nach Berlin gekommen ist, um seiner 
abweichenden Ansicht Eingang bei Hofe zu verschaffen und sie in 
den Zeitungen zu verfechten. Es war nicht seine herrschsüchtige 
Natur, die den Reichskanzler trieb, eine Anzahl von Exzellenzen 
jener alten Schule kalt zu stellen, sondern die Erkenntnis, daß eine 
solche Wirtschaft passieren mochte zu einer Zeit, wo Preußen das 
fünfte Rad am Wagen der curopäischen Politik war, aber völlig 
unvereinbar sei mit der Durchführung des Programms, das der da- 
malige Herr von Bismarck 1862 mitbrachte, und das er in einer 
Weise verwirklicht hat, daß sein Name auf allen Lippen leben wird, 
wenn von den frondierenden Exzellenzen kaum noch im Konver- 
sationslexrikon etwas zu finden sein wird. Auch Herr von 
B. (lanckenburg) in der Schlesischen Zeitung, wie man sagt, ein 
Militärschriftsteller aus einer pommerschen Familie, mit der der Graf 
Arnim von mütterlicher Seite verwandt ist, macht Anspielungen auf 
das unkollegialische Wesen Bismarcks. Nun, die Gesandten sind nicht 
Kollegen des Ministers, sondern seine Agenten. Sie haben durch 
  
1 G. u. E. II, 162 ff.
	        
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