420 Dreiundzwanzigstes Kapitel 11. April 1877
zu ihm als König und Offizier gesprochen. Er wurde heiterer, und
als wir nach Berlin kamen, war er wieder ganz verständig. Abends
bewegte er sich ganz munter in großer Gesellschaft. — Als ich nun
jetzt meinen Abschied verlangte, wollte er nicht. Aber er hatte dabei
immer nur Mitleid mit sich selbst — was er denn anfangen sollte? —,
mit mir hatte er keins. Ich habe nachgegeben — vorläufig —, aber
ehe ich wiederkomme, werde ich meine Bedingungen stellen."
Ich sagte: „Die werden sie bewilligen müssen. Ohne Sie geht
es nicht. Da giebts nur Thorheiten und Mißgriffe und Unglück,
und sie müssen Ihnen auf den Knieen nachrutschen, um Sie wieder
her zu bitten."
Er kam dann nochmals auf die Kaiserin zu sprechen und sagte:
„Sie mengt sich auch in die auswärtige Politik und hat sich in den
Kopf gesetzt, daß sie berufen sei, überall dem Frieden das Wort zu
reden — Friedensengel zu sein. So schreibt sie Briefe an fremde
Souveräne, an die Königin von England zum Beispiel, wovon sie
ihrem Gemahle Mitteilung machen wird, der mir aber davon nichts
sagt. Ein Teil dieser Korrespondenz ist von einem Subalternbeamten
des Hausministeriums besorgt worden. Der Hausminister Schleinitz
ist,1 nachdem er in den auswärtigen Angelegenheiten seine vollständige
Unfähigkeit dokumentiert hatte,: durch die Gnade Ihrer Majestät
auf seinen jetzigen Posten gelangt. Aber seine Erfolge lassen auch
hier zu wünschen übrig. Weil er von Vermögensverwaltung nichts
versteht, weiß er aus dem Hausvermögen nur sehr unbedeutende
Revenüen zu ziehen. Da er aber stets zur Hofopposition, zur
Bonbonniere gehört hat, ist er bei Augusta sehr wohl gelitten. Sein
Salon war 1866 der Sammelplatz der Österreicher, und 1870
gingen die Franzosen bei ihm aus und ein und gaben sich Rendez-
vous. Wo irgend gegen mich intrigiert wurde, war er gewiß
dabei. — Ein andrer von der Gesellschaft ist Gruner, der nicht
bloß unfähig, sondern auch leidenschaftlich ist. Den hat sie am Ge-
burtstag des Kaisers zum Wirklichen Geheimen Rate machen lassen
— durch bloßes Handbillet ohne Gegenzeichnung eines Ministers —
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1 Vgl. Anm. 3 auf S. 413.
2 1858—1861.
Vgdl. G. u. E. II, 198 f.