Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

422 Dreiundzwanzigstes Kapitel 11. April 1877 
wohlwolle und einen ungünstigen Einfluß auf seinen Bruder aus- 
übe, und wenn Sie vom evangelischen Teil der Bonbonniere reden, 
können Sie den Ausdruck brauchen: Bodensatz der Kreuzzeitungs- 
gesellschaft und der inveterierten Herrenhausopposition."“ 
Wir sprachen dann weiter von seinen Gegnern, besonders von 
ausgemusterten Geheimräten und Diplomaten, wobei er ausführlich 
Arnims gedachte, über den er sich ungefähr wie Bucher äußerte. 
In diesem Augenblick kam seine Gemahlin durch die Tapeten- 
thür ins Zimmer und gab ihm aus einer Tasse, die sie in der 
Hand hielt, Medizin ein. Er stellte mich ihr als „Kriegsgefährten 
aus der Versailler Zeit“ vor. 
Als sie sich wieder entfernt hatte, fuhr er in seiner Auseinander- 
setzung fort. „Dann giebts neben dem Hofe auch andre Friktionen, 
die mich hemmen und aufreiben. Die Minister, die ihre Ansichten 
meinen Plänen nicht anbequemen wollen — in Zoll= und Steuer- 
sachen — in der Eisenbahnfrage, besonders Camphausen und Del- 
brück. Wollen nicht heran an meine Gedanken, drehen und wenden 
sich und verschieben. Ich soll ihnen und dem Reichstage Entwürfe 
zur Kritik vorlegen. Ich will aber, daß sie, die es zunächst an- 
geht, und die Sachverständige sind, das thun und zeigen, was sie 
vermögen. Es ist da vieles zu ändern, was bis jetzt vertagt werden 
mußte, weil andre Sachen vorgingen.“ 
Zuletzt nannte er auch den Reichstag als eine Quelle von 
Friktionen und sprach, indem er Wehrenpfennig namhaft machte, 
davon, daß die Nationalliberalen! es gut meinten, aber immer 
kritisieren müßten. 
Ich sagte ihm, alles, was er mir mitgeteilt habe, werde in 
meinem guten Gedächtnis verwahrt und allmählich in die Offent- 
lichkeit gebracht werden, deutlich, kräftig und vorsichtig. Dann trug 
ich ihm meinen Plan wegen der Schilderung seiner Häuser und 
Güter in der Gartenlaube vor, zu dessen Ausführung ich mir die 
Erlaubnis zur Besichtigung von Varzin, Schönhausen und Friedrichs- 
ruh und Empfehlungen an die dortigen fürstlichen Beamten erbat. 
Er ging auf alles ein und sagte: „Nach Varzin müssen Sie kommen, 
wenn ich selbst dort bin. Da werde ich Ihnen Empfehlungen nach 
  
1 G. u. E. II, 158 ff. 180 fl.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.