Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

12. April 1877 Dreiundzwanzigstes Kapitel 423 
Schönhausen und Friedrichsruh mitgeben, auch nach Kniephof, das 
Sie auch sehen sollten — an meinen Vetter, der es jetzt besitzt.“ 
Ich bemerkte, er sehe gesünder aus, als ich erwartet hätte. 
„Ja — erwiderte er —, das geht andern auch so. Die Leute 
beurteilen mich in drei Beziehungen falsch: sie halten mich für ge- 
sünder, wohlhabender und einflußreicher, als ich in Wirklichkeit bin — 
besonders für einflußreicher, aber Sie wissen jetzt, wie viel davon 
wahr ist oder wie wenig.“ 
Es schien jetzt alles Nötige besprochen zu sein, und so erhob 
ich mich und ging, wobei er mich durch beide Säle bis an die Be- 
dientenstube begleitete, die sich darüber verwundert haben mag. 
Wenigstens that dies der alte gute Theiß), der dort auch Dienst hatte, 
und der mir an der Glasthür zur Treppe in meinen Paletot ver- 
helfend mir zuflüsterte: „Gott, Herr Doktor, anderthalb Stunden 
bei Durchlaucht gewesen, und Durchlaucht bis an die Vorsaalthür 
mitgegangen.“ 
Am nächsten Tage ging ich früh ins Zentralbüreau, wo die 
Bekannten — die Sonne beschien mich ja wieder — ungemein freund- 
lich waren. Holstein bat mich, zu ihm zu kommen, und unterhielt 
sich lange mit mir. Sprach davon, daß ich doch ganz anders ge- 
wesen sei als der kleine Schwarze: immer hätte man von mir ge- 
lesen, und nie wäre ich dabei selber hervorgetreten. Man wirke jetzt 
wenig auf die Presse. Doch werde das auf die Dauer nicht gehen, 
und er hätte schon gedacht, ob ich nicht wiederkommen sollte. Indes 
hätte Bucher gemeint, ich werde wohl nicht wollen. Ich erwiderte, 
mein Wunsch sei es in#der That nicht, wäre es aber der Wunsch 
des Fürsten, so sollte es mir ein Befehl sein. Zuletzt hatte er die 
Liebenswürdigkeit, mir eine Partoutkarte für den Reichstag zu holen. 
Ging darauf hinein, hörte Hänel und Bennigsen über die Krisis 
sprechen und wandelte dann zu Ritter Schulze, um zu Mittag zu essen. 
Als ich hierauf in mein Gasthaus kam, übergab mir der Portier 
ein Billet vom Fürsten, das mich einladet, um sechs Uhr bei ihm 
zu speisen. Begab mich zu ihm und zwar, wie die Zuschrift an- 
gegeben, im lberrock, aber im Schmuck weißer Kravatte und weißer 
Handschuhe, während die Etikette zum Überrock schwarze Halsbinde 
und farbige Bekleidung der Hände verlangt — ein Verstoß, den 
ich sogleich inne werden sollte.
	        
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