19. April 1877 Dreiundzwanzigstes Kapitel 427 
Bang fragen sich noch heute Kenner der Verhältnisse nach der 
Zukunft. Es ist keineswegs sicher und ausgemacht, daß der Reichs— 
kanzler als solcher wiederkommen wird, und mit Bestimmtheit darf 
angenommen werden, daß, wenn dies geschieht, nicht alles sein wird 
wie zuvor. Mit andern Worten: der Fürst wird seine Bedingungen 
stellen müssen, ehe er seine amtlichen Arbeiten mit ihren Zielen 
und Lasten wieder übernimmt, und man wird auf diese Bedingungen 
eingegangen sein, wenn wir ihn in alter Weise am Werke sehen 
sollten. 
„Die öffentliche Meinung kann einiges dazu beitragen. Sie 
wird wohlthun, wenn sie sich nicht mit dem dermaligen Stadium 
der Sache beruhigt, wenn sie sich vielmehr, deutlicher als bisher 
geschehen, die sehr ernste Hauptursache der fortschleichenden Krisis 
vergegenwärtigt, und wenn sie der gewonnenen Erkenntnis in der 
Presse Worte giebt, unablässig, nachhaltig, immer von neuem Worte 
giebt und auf Abstellung des betreffenden krassen Mißverhältnisses 
dringt, mit dem selbst ein Bismarck nicht in ersprießlicher Weise 
zu wirken vermag, geschweige denn einer der in den letzten Wochen 
als mögliche Nachfolger Bezeichneten, sei er auch noch so vornehm, 
noch so unabhängig und noch so talentvoll. Die Presse wird sich 
ein ungewöhnliches Verdienst erwerben, wenn sie diesen und den fol- 
genden Andeutungen Gehör giebt und ihnen die möglichste Ver- 
breitung verleiht. 
„Die Stellung des Reichskanzlers wird vielfach nicht richtig 
aufgefaßt. Wie man ihn nach seinem Aussehen für gesünder, wie 
man ihn im Hinblick auf seine ausgedehnten Besitzungen für reicher 
hält, als er in Wirklichkeit ist, so täuscht man sich in weiten Kreisen 
auch über den Einfluß, den er ausübt, indem man sich denselben 
gewöhnlich als einen unbegrenzten vorstellt. Dem ist mit nichten 
so. Der Fürst hat mit Ministern zu rechnen, deren Chef er nicht 
in dem Sinne ist, in dem er es sein sollte, und deren Selbständig- 
keit, deren Widerstreben ihn wiederholt schon gehemmt hat. Es 
konnte ferner vorkommen, daß hohe Beamte seines speziellen Ressorts 
eine völlig andre Meinung als er zu haben, ihm offen und versteckt 
Opposition zu machen, ja seine Stellung zu untergraben versuchten. 
Graf Arnim, den jetzt statt des irdischen Richters ein Gottesgericht 
ereilt zu haben scheint, war der schlimmste, aber nicht der einzige