Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

21. April 1877 Dreiundzwanzigstes Kapitel 429 
daß sie die Kirchengesetze mißbillige. Zwei Angehörige der neulich 
erwähnten vornehmen polnischen Familie, beide Mitglieder der 
Zentrumsfraktion, der eine Sekretär von Ledochowski gewesen, der 
andre Kaplan und bei der famosen Marpinger Posse beteiligt, sind 
gern gesehene Gäste in dem Zirkel, dessen Mittelpunkt sie bildet. 
Dem Vernehmen nach wären in der Angelegenheit der Ursulinerinnen 
von ihr — manche werden sich hierdurch vielleicht an Eugenie 
während des Krieges erinnert finden — direkte Reskripte an die 
Behörden ergangen. Ein Graf und Oberhofmeister, der als eifrig 
ultramontan bekannt ist, dessen Beziehungen zur Reichsglocke“) bei 
Gelegenheit der Prozesse gegen dieses Blatt vor der Offentlichkeit 
aufgedeckt wurden, und der an den Beratungen der Redaktion bei 
Olbrich teil genommen, erhält unmittelbar nach diesem Skandal 
einen der höchsten Orden — eine vielen unerklärliche Anerkennung, 
die sich der loyale Leser natürlich nicht dadurch verständlich machen 
wird, daß er annimmt, man habe in einem gewissen Kreise des 
Hofes die Leistungen der Reichsglocke mit höchstem Wohlgefallen 
gesehen. 
„Wie gefallen den Lesern diese Dinge, denen sich noch eine gute 
Anzahl gleich auffälliger hinzufügen ließe? Daß sie dem Reichs- 
kanzler nicht gefallen konnten, versteht sich wohl von selbst, und 
sehr möglich ist, daß er die von ihm kolportierte Außerung, die 
größte Schwierigkeit von allen mache ihm die diplomatische 
Mission am eignen Hofe, wirklich gethan hat." 
Am 21. April schrieb mir Bucher, dem ich den Plan zu diesem 
Artikel mitgeteilt hatte: 
„Die Ingredienzien sollten nach der Absicht des verschreibenden 
Arztes nicht auf einmal gegeben werden. Ich fürchte, das Elixir 
wird zu stark, und möchte anheimstellen, wenn es noch möglich, 
zwei Dosen daraus zu machen, und dazwischen ein andres Medi- 
kament zu geben, das aus dem Artikel der Kölnischen Zeitung vom 
15. („Reformpläne ), der von Camphausen geschrieben ist, und der 
Antwort der Post, die ich nach einer von oben erhaltenen Dis- 
  
*) Ein von Joachim Gehlsen im Einklange mit vornehmen Reaktionären 
redigiertes Blatt, das sichs zur Aufgabe machte, den Reichskanzler mit Schmähungen 
und Verleumdungen zu verfolgen.
	        
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