Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

17. Okt. 1877 Vierundzwanzigstes Kapitel 455 
Chomitz, dann an die Wipper und schließlich über eine im Bau begriffne 
Eisenbahn und an einer Dampfbrettmühle vorbei nach Varzin zurück. 
Zuerst passierten wir Kiefernforsten, teils alte Bestände, teils jüngere 
und ganz junge Schonungen, die hier und da nicht recht gedeihen 
wollten. Chomitz besteht nur aus einigen Häusern, ist früher eine 
Glashütte gewesen und war jetzt, wenn ich nicht irre, von einem 
Förster des Fürsten bewohnt. Weiterhin kamen wir durch Buchen- 
wald, wo mancher schöne Baum stand. An der Wipper, einem 
breiten, klaren, wasserreichen Flusse, besuchte ich eine Holzpapier-= 
fabrik, deren Maschinen sie treibt. Ein Vormann oder Faktor, der 
sächsischen Dialekt sprach und aus Schwarzenberg im Erzgebirge 
nach Hinterpommern geraten war, zeigte mir die Einrichtungen des 
Etablissements und erklärte mir die Arbeit der Apparate, die die 
Kiefernklötze zu Brei zerreiben, worauf dieser über Walzen hin- 
laufend zu immer dünnern Platten und Bogen verdichtet und ge- 
trocknet wird, sodann die Färberei und schließlich den Raum, wo 
man die teils braun gelassene, teils rot oder blau gefärbte Ware 
schichtet und für den Versand verpackt. 
Zwischen fünf und sechs Uhr gingen wir zum Diner. Während 
des Essens kam der Legationsrat von Holstein an. Der Chef war 
recht aufgeräumt und gesprächig. Er erzählte zunächst — wodurch 
dazu veranlaßt, ist mir entfallen — von Moritz von Blanckenburg, 
den er mit „mein ältester und liebster Freund“ bezeichnete,! von 
dem er aber behauptete, daß er sich „in der Affaire mit dem schmutzigen 
Diest sehr unvorsichtig benommen“ habe. „Ich hatte ihm — fuhr 
er fort — über die Bodenkreditaktien gesprächsweise bemerkt, es 
wäre möglich, daß Bleichröder, der meine Gelder zu verwalten hat, 
einmal solche Papiere für mich gekauft hätte. Ich könnte das aber 
nicht wissen, da der Bleiche, dem alle überflüssigen Einkünfte zu- 
gingen, und der alle größern Zahlungen für mich leistete, dabei 
nach seinem Ermessen verführe. Es wäre also nichts Unrechtes, 
wenn der mit Papieren der Art ohne mein Wissen etwas für mich 
verdient hätte. Blanckenburg hat das als Thatsache weiter erzählt 
und Diest dann vor Gericht Gebrauch davon gemacht. Zuletzt hat 
Bleichröder aus seinen Büchern nachgewiesen, daß ein solcher Kauf 
  
1 G. u. E. II, 139.
	        
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