464 Vierundzwanzigstes Kapitel 18. Oki. 1877
doppelt so geräumig als die vorigen Stuben, erscheint jedoch, da
ein Teil davon in Gestalt einer großen, tiefen, etwas über den Fuß-
boden erhöhten Nische durch eine Wand vom übrigen Raume ge-
schieden ist, nicht ganz so ausgedehnt, als es in Wirklichkeit ist.
Die weiße Tapete ist mit blau und goldner Einfassung in Felder
geteilt. Die Polstermöbel haben einen Überzug von Baumwollen-
stoff, der auf rotem Grunde blaue und hellrote Blümchen zeigt;
die nicht gepolsterten bestehen aus dunkelbraunem Eichenholze mit
Schnitzwert, An der Wand nach der Veranda und dem Garten
hin gewahrt man eine Schwarzwälder Uhr von dunkelm Holze, deren
Gewichte die Form von Tannenzapfen haben, und aus der eine
Wachtel und ein Kuckuck die Zeit abrufen. An andern Wänden
hängen bunte Bilder rheinischer Städte mit Arabesken in Scheurenscher
Manier.
In der Ecke, wo sich der Wintergarten oder das Gewächshaus
an die Veranda anschließt, steht eine Statue von Bronze, die eine
Nachbildung von Rauchs kranzwerfender Siegesgöttin und wieder
ein Geschenk des alten Kaisers ist.
Ich weiß nicht, wie es kam, daß ich bei dem Anblick dieser
Bildsäule weniger an ihre Schönheit als an einen liebenswürdigen
Zug im Leben des Fürsten dachte. Als am 16. Juni 1871 der
Triumphzug der deutschen Armee die Tribüne passierte, die über der
Mauer des zum Auswärtigen Amte gehörigen Gartens an der
Königgrätzer Straße für die Beamten des Ministeriums errichtet
worden war, sah der Reichskanzler im Vorbeireiten zu uns herüber,
ergriff einen von den drei an seinem Sattelknopf hängenden Lorbeer-
kränzen, steckte ihn an seinen Pallasch und warf ihn uns zu.
Auch ein andres Kunstwerk des Zimmers weckte eigentümliche
Erinnerungen. An der Wand gegenüber von den auf die Veranda
und den Blumengarten hinausschauenden Fenstern lenkt eine kleine
Vertiefung zwischen zwei Ofen mit offnem Feuer unfre Augen durch
eine bunte Porzellanvase auf rotbedecktem Fußgestell auf sich, die
ungefähr anderthalb Meter Höhe hat und auf der Vorderseite eine
sitzende Frauengestalt — wir denken an eine Germania —, auf der
hintern goldne Trophäen zeigt. Diese hat, wie der Fürst mir aus-
einandersetzte, eine eigne Geschichte mit einem symbolischen Zuge.
Dem Kanzler nach 1870 vom Kaiser verehrt, war sie anfänglich