Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

Oktober 1877 Vierundzwanzigstes Kapitel 471 
auf Parkett. Decke und Wände aber sind wieder nur weiß ange- 
strichen. Die Möbel sind, soweit sie nicht gepolstert sind, von 
gelblichem Holze, die übrigen mit geblümtem Kattun überzogen. 
Auf dem Ofen, neben dem ein farbiger Schirm mit einem gestickten 
zwischen Schilfrohr fischenden Reiher steht, bemerken wir eine kleine 
Pendule und wieder mehrere gläserne Trinkgeschirre alten Stils. 
Die Bücher sind zu beiden Seiten des Fensters der Thür gegenüber 
in tiefen, etwas mehr als mannshohen Glasschränken aufgestellt. 
Hinter einem ist so viel Raum gelassen, daß hier ein kleines Sofa 
und ein Tischchen angebracht werden konnte. „Hier observiere ich 
zuweilen, wer kommt,“ sagte der Fürst, als er mich auf die Vor- 
richtung aufmerksam machte. Über dem Sofa gewahrt man eine 
Photographie von Friedrichsruh und in Kupferstich die Porträts von 
drei alten Herren in Harnisch und Perücke: entfernte Angehörige der 
Familie Bismarck aus dem Ende des siebzehnten Jahrhunderts. 
Andrer Wandschmuck des Zimmers sind die photographische Nach- 
bildung von Camphausens Gemälde, die Begegnung Bismarcks mit 
Napoleon beim Schlößchen Bellevue, und drei große in Dürerscher 
Manier ausgeführte Holzschnitte von Gaber in Dresden, die über 
dem größern Sofa angebracht sind, und von denen der eine die 
Kreuzigung nach Johannes 30, 19, der andre die heiligen drei 
Könige nach Matthäus 2, 11, der dritte die Auferstehung Christi 
mit Beziehung auf Johannes 11, 25 darstellt. Ein langer Tisch, 
an dem der Kanzler seinem Amanuensis zu diktieren pflegt, vollendet 
die Ausschmückung des Gemachs. 
Die breite Flügelthür zwischen dem Ofen und dem einen Glas- 
schranke führt in das Hauptzimmer des Neubaus, dem großen sechs- 
eckigen Raum, wo der Reichskanzler sich aufhält, wenn er für sich 
arbeitet. Ich denke, eine besonders ausführliche Beschreibung wird 
den Verehrern des Fürsten willkommen sein. 
Auch hier herrscht in der Einrichtung vornehme Einfachheit. 
Nur die Architektur zeigt einigen Luxus, indem an den blaßgrün 
getünchten Wänden etwa so hoch, wie ein mittelgroßer Mann zu 
reichen vermag, Eichenholzgetäfel hinläuft und die Decke durch Eichen- 
balken, die aus ihr hervortreten, in Quadrate und Dreiecke geteilt 
ist, die hellgrau gemalt und mit einem dunkelgrauen und einem 
weißen Strich eingefaßt sind. Das Zimmer hat einen sechseckigen
	        
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