472 Vierundzwanzigstes Kapitel Varzin
Erker mit drei schmalen Fenstern und an der Wand der Thür
gegenüber ein breites. Die Polstermöbel sind gleich denen in der
Bibliothek mit dunkelgrünem, rot und hellgrün geblümtem Kattun
überzogen, die übrigen aus deutschem Nußbaumholz.
Lassen wir die Augen an den Wänden herumgehen, so fällt
auf, daß in dem ganzen großen Zimmer auch nicht ein einziges
Bild irgend welcher Art ist. Rechts, dicht beim Eingange trägt
ein Tischchen einen kleinen schwarzen mit Messing beschlagnen Koffer,
der eine Reisetoilette sein könnte. Die abgestumpfte Ecke daneben
füllt der am meisten ins Auge fallende Gegenstand des Gemachs,
ein Riesenkamin aus, der eine Breite von nahezu vier Metern hat
und etwa fünf Meter hoch ist. Er besteht aus grünen glasierten
Kacheln und ist nach Angabe des Fürsten in der Friedenthalschen
Thonwarenfabrik zu Gußmannsdorf in Schlesien angefertigt worden.
Zu beiden Seiten der Feuerstelle schmücken ihn kannelierte Säulen,
über denen kleine Wappen angebracht sind. Das zur Linken zeigt
einen goldnen Schild, darin einen schrägen roten Balken mit drei
einköpfigen silbernen Adlern, das zur Rechten im roten Felde einen
goldnen Streifen und darüber wie darunter je drei goldne Kronen,
den ersten Schild für Lothringen, den zweiten für Elsaß. In der
Mitte des Kaminmantels liest man den Spruch: In trinitate robur,
über dem man in einem gelben Felde den Adler des neuen Deutschen
Reichs gewahrt, und über diesem wieder erhebt sich in kreisrunder
Nische, dem höchsten Teile des Ganzen, die weiße Marmorbüste
des Kaisers Wilhelm.
Der Sims, der sie trägt, wird rechts und links von zwei
zum Kamine selbst gehörigen Adlern flankiert, die auf Lorbeer-
zweigen sitzen.
Die Anordnung dieser Symbole mögen sich die Leser selbst
deuten. Wappen und Spruch aber haben ihre eigne Geschichte.
Als der Reichskanzler zum Fürsten erhoben wurde, gedachte der
Kaiser ihm die Schilde von Elsaß und Lothringen in sein neues
Wappen zu verleihen.
„Aber — so erzählte mir der Fürst vor diesem Kamine —
Herzog von Lothringen war mir zu vornehm. Majestät wollte mir
dann den Adler ins Schild setzen. Mir war das jedoch auch be-
denklich. Der Adler frißt mir meinen Klee, fürchtete ich. So wurde