Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

21. Okt. 1877 Vierundzwanzigstes Kapitel 485 
zehnten vor Augen, aber ich erinnere Sie an Karl den Ersten; der 
ist doch mit Ehren gestorben. — Das beruhigte ihn sehr; ich hatte 
an sein Offiziersgewissen gerührt."“ 
Von diesem Vorfall kam er auf das Verhalten des Königs in 
Ems gegenüber den Attacken Benedettis zu reden und sagte: „Da 
merkte ich bald, daß er zu weichen anfing und ein Olmütz eingesteckt 
hätte. Ich war damals in Varzin, und als ich auf dem Wege nach 
Berlin durch Wussow fuhr, stand der Pastor vor seinem Hause und 
grüßte. Ich that einen Schwadronshieb in die Luft, zum Zeichen, 
daß es jetzt losginge. Aber in Berlin war keine gute Nachricht. 
Da telegraphierte ich ihm (dem König), wenn er Benedetti noch 
einmal empfinge, so bäte ich um meine Entlassung. Als keine Ant- 
wort kam, telegraphierte ich, wenn er jetzt Benedetti empfangen 
hätte, so betrachtete ich das, als ob er meine Entlassung angenommen 
hätte, und reiste nach Varzin zurück. Da kam denn das zweihundert 
Zeilen (wohl Worte) lange Telegramm von Abeken. Darauf ließ 
ich mir Moltke und Roon kommen zu einem Essen zu dreien und 
teilte ihnen mit, wie die Sachen stünden. Roon war außer sich, 
so auch Moltke. Ich fragte, ob wir zu einem solchen Kriege in 
guter Ordnung wären. Er sagte, nach menschlichem Ermessen hätten 
wir Hoffnung zu siegen. Da machte ich, ohne ein Wort des Königs 
zu ändern, aus den zweihundert Zeilen zwanzig und las es ihnen 
vor. Sie sagten, so würde es sich machen. Und nun ließ ichs an 
alle unfre Gesandten gehen — natürlich nicht nach Paris — und 
es in die Berliner Zeitungen bringen, und so machte es sich wirklich. 
Die Franzosen nahmen es ganz ungeheuer übel.“!1 
Sonntag, den 21. Oktober. Schöner heller Tag. Der 
Schnee ist verschwunden. Beim Frühstück sagte der Chef, als er 
wie gewöhnlich die eingegangnen Akten und Telegramme las, zu 
Holstein: „Schreiben Sie, es wäre doch wünschenswert, in der Presse 
verlauten zu lassen, daß man für den Fall eines französischen Staats- 
streichs beim Kaiser die Einberufung des Reichstags zur Beratung 
der Eventualitäten einer solchen Maßregel zu beantragen beabsichtige.“ 
  
1 S. Bd. I, 258. Wir lassen diese und ähnliche Erzählungen, die dem 
Leser dieses Buchs schon bekannt sind, stehen, weil es von Interesse ist, zu 
sehen, wie der Fürst dieselbe Geschichte mit geringen Veränderungen gern immer 
wieder erzählt hat.
	        
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