Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

492 Vierundzwanzigstes Kapitel Varzin 
stattliche Schonung verheißend, wie die, die in der Nachbarschaft 
an mehr von der Natur begünstigten Stellen, auf besserm Boden 
und in mehr geschützter Lage stand. 
Der Wald ist heutzutage weit mehr Holzgarten als Wildstall. 
Aber auch in dieser Beziehung ist die Herrschaft in dem letzten Jahr— 
zehnt von 1867 bis 1877 wesentlich verbessert worden. Früher 
waren die Rehe hier zur Seltenheit, fast zur Sage geworden. Da 
stiftete der neue Eigentümer der Varziner Forsten in Gemeinschaft 
mit den Nachbarn ringsum Schonvereine, und so giebt es dermalen 
in den Flußgebieten der Wipper und der Grabow sowie auf dem 
bewaldeten Hügelrücken in deren Nähe einen ziemlich befriedigenden 
Rehstand, wozu gelegentlich ein Hirsch, namentlich aber starke Rudel 
von Schwärzwild kommen. Die Reiher, die sich früher hier an den 
Teichen in Menge aufhielten und die Fische dezimierten, sind größten— 
teils ausgerottet oder, weil die Gegend ihnen nicht mehr geheuer 
war, ausgewandert. Dagegen scheint es noch nicht gelungen zu 
sein, den Verwüstungen, die der Otter unter den Bewohnern der 
Waldweiher anrichtet, den erwünschten Einhalt zu thun. 
Endlich hat der Kanzler vielfach auch dem von ihm erworbnen 
Feldbesitze seine Sorge zugewandt. Landstrecken, die bisher brach 
lagen, sind urbar und leidlich ertragsfähig gemacht worden. Saure 
Wiesen haben sich dank den auf ihnen angelegten Entwässerungs— 
anstalten in gute verwandelt, und an Berieselung hat man es, wo 
sie notwendig und ausführbar war, auch nicht fehlen lassen. Trotz- 
dem wird der Ertrag, den die Güter der Herrschaft liefern, soweit 
er aus der Landwirtschaft fließt, verhältnismäßig, d. h. im Ver- 
gleich mit ihrer Ausdehnung, gering, und der lberschuß, der nach 
den unbedingt erforderlichen Auslagen bleibt, nicht sehr bedeutend 
sein. Das Gebiet des Fürsten ist mit seinen Hügeln und Hügel- 
ketten, von denen eine die Höhe von mehr als fünfhundert Fuß 
über dem Spiegel der Ostsee erreicht, mit seinen Thälern und Sen- 
kungen, seinen Buchengehölzen und Waldwiesen und seinen klaren 
Flüssen im ganzen mehr malerisch als ergiebig. 
Es war wohl halb im Scherze gemeint, wenn der Kanzler auf 
der Höhe von Annenhof die Herrschaft, die man dort fast voll- 
ständig unter sich ausgebreitet sah, als „Kartoffelland“ bezeichnet, 
und wenn er sie ein andermal „Lupinenland“ genannt hatte. Bei
	        
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