Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

Schönhausen Fünfundzwanzigstes Kapitel 501 
wärtig aber dem Deichhauptmann Gärtner gehört. 1 Ich traf diesen, 
als ich in den Ort gelangt war, auf der Straße vor seinem Hofe 
und erhielt von ihm auf meine Frage nach dem besten der hiesigen 
Gasthäuser freundlich den Bescheid, die Post sei zu empfehlen. Ich 
begab mich dahin und sah mich bei dem Besitzer des kleinen Dorf- 
hotels, Herrn Hanxleben, wider Erwarten recht gut aufgehoben. 
Nach vier Uhr hier angekommen, machte ich mich, bevor es 
Abend wurde, auf den Weg zu Inspektor Kohnert, dem Verwalter 
des Fürsten. Er war in dem Augenblicke nicht daheim, „auf dem 
Felde,“ sagte die sauber gewaschne, sorgfältig frisierte Großmagd, 
bei der ich mich nach ihm erkundigte. Ich fragte nach der Frau 
Inspektorin und erfuhr, daß sie im Garten, wahrscheinlich im Lust- 
hause sei. Eben hatte ich sie auf dem Wege dahin getroffen und 
ihr mein Anliegen mitgeteilt, als ihr Gemahl dazu kam, eine hoch- 
gewachsene kernige Gestalt mit blondem Vollbart und intelligentem 
Blick. Erst etwas kühl und zugeknöpft — vielleicht hatte er mit 
frühern Besuchen der Art verdrießliche Erfahrungen gemacht —, wurde 
er rasch wärmer und mitteilsamer, als er gewahr wurde, daß mich 
nicht die gewöhnliche Touristerei hierher geführt hatte, und nach 
einigen Minuten hatte ich offenbar sein Vertrauen gewonnen. Er 
fand vermutlich, daß ich den Gutsherrn liebte, und das schien ihm 
auch so zu gehn. 
Da es diesen Tag zu einer gründlichen Besichtigung des Hauses 
im Innern zu spät war, so wurde verabredet, sie am nächsten Morgen 
vorzunehmen, und zwar wollte Herr Kohnert selbst dabei mein Führer 
sein, da die Inspektorin Bellin, die bisher den Besuchern des Gutes 
als Begleiterin gedient hatte, bei ihren hohen Jahren nicht recht 
mehr fortkonnte. Für jetzt wurde nur ein flüchtiger Blick auf das 
Außere des Hauses und die Alleen vor und neben ihm gethan. Es 
ist ein schmuckloses, graugetünchtes Herrenhaus mit hohem, steilem 
Dach und zwei Stockwerken über dem Erdgeschoß, das, wie an den 
Fenstergewänden zu sehen ist, ungewöhnlich dicke Mauern hat. Das 
Gebäude ist nicht viel tiefer, als es breit ist, sodaß es fast einen 
  
1 Dies Gut wurde 1885 von der Bismarckspende zurückgekauft und dem 
Fürsten an seinem 70. Geburtstage übergeben. Der Gesamtbesitz beträgt jetzt 
etwa 8000 Morgen.
	        
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