Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

504 Fünfundzwanzigstes Kapitel Schönhausen 
fallen. Die Tracht der Bewohner des Ortes unterscheidet sich, soviel 
ich bemerken konnte, nicht mehr von der in den meisten norddeutschen 
Gegenden auf dem Lande üblichen. Die gewöhnliche Umgangs- 
sprache ist ein Dialekt, der den Übergang aus dem Hochdeutschen 
zum Plattdeutschen bezeichnet. Früher wird das erste vorgewogen 
haben, jetzt scheint das Umgekehrte der Fall zu sein. 
Ehe ich mich verabschiedete, um mich am nächsten Morgen 
wieder einzustellen, hatte ich das Vergnügen, den neueingezognen 
Herrn Lehrer und Küster von Schönhausen kennen zu lernen, der 
bei Inspektors seinen Antrittsbesuch machte und mir am Morgen 
die Kirche aufzuschließen versprach. Vom Pastor hörte ich, daß er 
zu den Strenggläubigen zählte. Das Dorf hatte unter seinen Be- 
wohnern in dem Posthalter und den Seinigen auch eine katholische 
Familie. 
Am folgenden Morgen war ich, wie verabredet, beizeiten in 
der Kohnertschen Wohnung, wo ich den Inspektor bereit fand, mit 
mir die Wanderung durch die Säle und Stuben des Herrenhauses 
anzutreten und mir den Garten und den Park zu zeigen. Bevor 
ich die Leser einlade, uns dabei zu folgen, bemerke ich, daß das 
Herrenhaus, wenn man durch die gemauerten Pfeiler des Eingangs 
in das Gut tritt, nicht sichtbar ist. Man sieht vielmehr hier nur 
links das vom Inspektor mit seiner Frau bewohnte Haus, nach dessen 
Thür eine kleine Freitreppe hinaufführt, gerade vor sich, in der Ent- 
fernung einiger Schritte drei oder vier Reihen von Kastanien= und 
Lindenbäumen mit breiten, schattigen Wipfeln und rechts Wirtschafts- 
gebäude mit der Düngerstätte. Erst um die Ecke zur Linken biegend 
gewahren wir das vorhin seinem Außern nach geschilderte Haus, 
wo ehedem die Gutsherrschaft wohnte. Die Thür ließ sich mit 
keinem der von Frau Bellin gesandten Schlüssel öffnen, und so 
mußten wir unsern Weg durch die Hinterthür nehmen, zu der wir 
über den unmittelbar an das Haus stoßenden Friedhof gelangten. 
Sie brachte uns zunächst im Erdgeschoß in eine weite, weißgestrichne, 
am Fußboden mit roten Ziegelsteinen getäfelte Hausflur, in der wir 
verschiednen altertümlichen Schränken, einer Mitrailleuse aus der 
Kriegsbeute von 1870 und einem Kellerhals begegneten, an dem einige 
Stufen hinaufführen. Die Thür in der Wand über dem Keller- 
halse, unter dem der Fürst seinen Nordhäuser alt werden läßt, geht
	        
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