Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

510 Fünfundzwanzigstes Kapitel Schönhausen 
schränken oder Winkeln mit gespenstigen Echos. Die dicken Mauern, 
die tief eingeschnittnen Fenstergewände geben dem mächtigen alten 
Gebäude den Charakter stämmiger Ehrenhaftigkeit. Die niedrigen 
Zimmer mit den Stuckdecken drücken nur bescheidnen Wohlstand aus. 
Die Möblierung und die sonstige Ausstattung der Gemächer unter— 
scheiden sich, abgesehen von den Wappen, in nichts von dem Bilde, 
das in den ersten drei Dezennien unsers Jahrhunderts die Wohnung 
eines einigermaßen begüterten Bürgers darbot. Das Ganze ist noch 
heute wie vor vierzig Jahren, wo sein Gerät, seine Tapeten und 
seine Bilder neu und nach der Mode waren, das schlichte, einfache, 
anspruchslose Haus eines märkischen Landedelmanns, der sich um 
seine Wirtschaft selbst kümmert und sich dabei mit der gnädigen Frau, 
die desgleichen thut, ungefähr genügend, nach guten Ernten etwas 
mehr wie genügend wohl befindet. Es ist ohne Zweifel behaglich 
gewesen. Jetzt aber fehlt ihm die Wärme der Bewohntheit. Man 
sollte es nicht des Morgens besuchen, wo das kalte bläuliche Sonnen- 
licht seine Verödung noch kälter macht. Man sollte sich die stillen, 
leeren Säle und Stuben vom Lichte des Nachmittags wärmen und 
vergolden lassen und sich einen Abendwind dazu bestellen, daß er 
leise durch die Wipfel vor den Fenstern ginge und Sonnenblicke und 
Schatten wechselnd auf die Wände und Fußböden würfe. Das 
gäbe dann Leben in das tote Haus, und in der dadurch erzeugten 
Stimmung sähe man wohl auch mehr als das gaukelnde Licht= und 
Schattenspiel der Natur, sähe man wohl auch in der Bibliothek und 
dem Arbeitszimmer bedeutungsvolle Momente im Leben dessen, der 
einst hier lebte, aus der Vergangenheit zurückkehren und sich zu 
Bildern mit Fleisch und Blut gestalten. 
Nachdem ich das Innere des Hauses in Augenschein genommen 
hatte, brachte mich mein Führer in den Garten daneben, der, wie 
bemerkt, in zwei Hälften, eine höher und eine tiefer gelegne, zerfällt, 
von denen jene Obstbäume und einige Gemüsebeete enthält, diese ein 
Park nach altfranzösischer Anlage ist. Zwischen beiden zieht sich 
— wenn wir unter dem Doppelwappen über der Thür des Herren- 
hauses heraustreten, links — eine Allee alter breitwipfliger Linden 
hin, die rechts eine Strecke von einer Fachwerkmauer, der Hinter- 
wand des einen Flügels der Wirtschaftsgebäude, links von einem 
offnen Raum, einem Grasplatze, begrenzt wird. In den Balken
	        
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