526 Fünfundzwanzigstes Kapitel Friedrichsruh
in das Schlafgemach kommt. Im ersten Stock wohnt die Fürstin,
und gelegentlich hat ihre Tochter, die Gräfin Rantzau, mit ihren
drei kleinen Söhnen hier einige Stuben inne. Selbst die Gänge
sind mit Berliner Ofen versehen, und diese sind, wo sie in den
Stuben stehen, so eingerichtet, daß man das Feuer darin wie im
Kamin flackern sieht; denn der Fürst ist ein Freund der Wärme
und sichtbarer lebendiger Ofenglut. Der Gesundheit wegen bedarf
er solcher Auswärmung seiner Wohnung jetzt wohl nicht. Wenig-
stens war sein körperliches Befinden in den letzten drei Jahren vor
1890, besonders im Herbst 1888, wo ich fast fünf Wochen sein
Gast war, unvergleichlich viel besser als im Spätherbst 1883, wo
ich gleichfalls einige Tage hier bei ihm verweilte, und wo sich der
Fürst nach Anweisung seines Arztes mancherlei bei Tische versagen
mußte, nicht nur das früher eifrig betriebne Jagdvergnügen, sondern
auch länger dauernde Spaziergänge im Freien und namentlich das
Ausreiten aufgegeben hatte. Heute nun (1891) braucht er sich, so viel
mir bekannt wurde, in keiner dieser Beziehungen mehr Zwang anzu-
thun, bei Tafel an Gerichten wenig oder gar nichts vorbeigehen zu
lassen und sich auch im Genuß dessen, was sein Keller bietet, keine
Beschränkung mehr aufzuerlegen, wie in der bösen Zeit vorher, wo
ihm neben einem hartnäckigen verstimmenden Magenleiden auch
schmerzhafte Neuralgie und Schlaflosigkeit eine Zeit lang fast ohne
Unterlaß schlimme Tage und Nächte bereiteten und ihn auch in die
ersehnte Ruhepause im Sommer und Herbst begleiteten. Das Magen-
leiden scheint gänzlich gehoben zu sein, der quälende Gesichtsschmerz
tritt mindestens viel seltner auf als früher, und der Schlaf flieht
sein Bett nicht mehr so beharrlich wie damals, wo er ihm oft erst
beim Morgengrauen die Augen schloß. Die alljährlich sich wieder-
holenden Reisen zur Trinkkur nach Kissingen und nach dem Gasteiner
Bade werden fortan vielleicht unterbleiben können. Der Kanzler
macht häufig Ausflüge zu Fuße, wobei „sein Pensum fünftausend
Schritte sind,“ auch wird das Pferd wieder bestiegen, und zwar zu
Ritten, die stundenlang dauern. Auf die argen Tage sind gute
und heitere gefolgt — eine Verjüngung, für die wir dem Himmel
und dem Doktor Schwenninger von Herzen danken, und von der
wir wünschen und hoffen wollen, daß sie ihm noch viele Jahre be-
schieden sein möge.