Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

4. Okt. 1878 Sechsundzwanzigstes Kapitel 535 
und deren wichtigere Artikel wir in besondern Abzügen in die Tages— 
presse bringen könnten, wie im Jahre vorher mit gutem Erfolge 
geschehen sei. Er schien geneigt, darauf einzugehen. 
Als ich sodann fragte, wie es mit seiner Gesundheit stünde, 
und ob Kissingen und Gastein ihm gut gethan hätten, erwiderte er: 
„Ja, Gastein. Aber es ist ein gefährliches Wasser, mit dem man 
sich in acht nehmen muß, hinterher, besonders vor Ärger und Auf— 
regung. Man kann in solchen Fällen davon ganz dämlich werden. 
Das habe ich jetzt erfahren. Sie wissen von meiner letzten 
Krankheit?“ 
„Ja, es war wieder ein Anfall der Gürtelrose.“ 
„Nein, es war etwas andres. Die Stenographen nahmen bei 
der letzten Rede Partei gegen mich. Als ich noch populär war, 
da war es nicht so. Jetzt verunstalteten sie das, was ich gesagt 
hatte, daß gar kein Sinn drin war. Wo links oder im Zentrum 
gemurrt wurde, ließen sie das »links« weg, und wo Beifall er— 
folgte, vergaßen sie es. Das ganze Büreau ist so. Ich habe mich 
aber beim Präsidenten beschwert. Davon wurde ich krank. Es war 
wie die Tabakskrankheit, Eingenommenheit des Kopfes, Taumel, 
Neigung zum Erbrechen u. s. w.“ Er beschrieb diesen Zustand aus— 
führlich, dann auch die Gürtelrose. 
Ich erkundigte mich, ob er nun nach Varzin zurückkehren oder 
nach Friedrichsruh gehen werde. „Oder vielleicht auf das neue 
bayrische Gut, von dem in der Zeitung die Rede war,“ fügte 
ich hinzu. 
Er lächelte und sagte: „Bayrisches Gut? Ich denke gar nicht 
daran, eins zu kaufen. Ich habe Schaden genug von denen, die 
ich in Lauenburg gekauft habe; da frißt der Kaufpreis die Ein- 
nahmen des ganzen Besitzes auf. Wie kann ein Gut etwas tragen, 
wo der Scheffel so wenig gilt wie jetzt?“ Er setzte dies aus- 
führlich auseinander und fuhr dann fort: „Ich habe ihnen das 
schon lange gesagt und versucht, hier Abhilfe zu schaffen. Unfre 
ganze Landwirtschaft geht dabei zu Grunde."“ 
Ich bemerkte, daß ich auch die Bauern bei Wurzen und weiter 
oben im Muldenthale über die unerträgliche Konkurrenz des pol- 
nischen und ungarischen Getreides bei den hohen Löhnen der Dienst- 
leute klagen gehört, und daß man von ihm Hilfe erwarte. „Ja
	        
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