538 Sechsundzwanzigstes Kapitel November 1878
bis 1871 auch bereits in den Händen der Lesewelt sind, dem vor—
liegenden Buche wird keins an Interesse gleichkommen. Es eröffnet
nicht nur einen Blick in das intime — sagen wir Familienleben des
damaligen Bundeskanzlers mit seiner Umgebung, sondern ist auch
außerordentlich reich an Notizen politischen Inhalts — zum Teil
von hoher Bedeutung.“ Ein Rezensent in der Berliner Börsen—
zeitung meinte: „Die von Moritz Busch aus dem Leben des Reichs—
kanzlers gesammelten Episoden und denkwürdigen Aussprüche be—
schäftigen alle Welt. . .. Sie werden überall gelesen werden, wo
Menschen wohnen. Der Inhalt des Buches an und für sich wäre
schon eine litterarische Leistung ersten Ranges, selbst wenn der Held
desselben eine reine dichterische Fiktion und nicht die gewaltigste
Persönlichkeit unter den politischen Größen unsers Jahrhunderts
wäre. Leser, die keinen Sinn für das Charakteristische haben, meinen,
daß in den von Moritz Busch mit feinem Verständnis ausgelesenen
Erlebnissen und Aussprüchen des Fürsten Bismarck sich manche
Trivialitäten und Frivolitäten befinden, und unter diese rechnen sie
manchmal gerade jene drastischen Züge, die das ursprüngliche nüch—
terne, objektive, fast plebejisch anspruchslose und prunklose Wesen
desselben am plastischsten bezeichnen. Wer für die schemenhaften,
marklosen, von eitel Edelmut und Sentimentalität durchtränkten
Helden deutscher Romanschriftsteller schwärmt, wird sich von dem
Porträt, das Moritz Busch skizziert, mit einem Gefühl von Be-
klommenheit abwenden; wer aber nach den Dichtern des Realismus
seinen Geschmack gebildet, wird bezaubert auf das bis ins kleinste
Detail lebenswahre und charakteristische Bild blicken, selbst wenn
seine Weltanschauung nicht mit der des Reichskanzlers parallel läuft.“
Die Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung, mir sonst keines-
wegs besonders zugethan, hatte zwar allerhand Ausstellungen an
dem Buche und seinem Verfasser zu machen, erkannte aber die eigent-
liche Tendenz und Bedeutung des Buches ehrlich und unbefangen
an, indem sie sagte, es enthalte „Aufzeichnungen, die für den der-
einstigen Geschichtschreiber vom höchsten Werte sein dürften, ja vieles,
wofür dasselbe dereinst die einzige verlässige Quelle bieten dürfte."“ . .
„Zum Erweise, ein wie wertvolles, teilweise einzig in seiner Art
vorhandnes historisches Quellenmaterial dasselbe in sich birgt,“ ließ
der Kritiker dann einige gut gewählte Auszüge folgen.